Ein Spin-Off der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
27. Jahrgang (2024) - Ausgabe 4 (April) - ISSN 1619-2389
 

Insolvenzen in Europa 1999

von Michael Bretz

Überblick

Im Jahre 1999 wurden in Westeuropa 182.200 Insolvenzen gezählt. 1998 waren es noch 190.300. Der Rückgang liegt bei 4,3 Prozent. Insgesamt basiert die vorliegende Insolvenzstatistik auf den Daten zum Insolvenzgeschehen in 15 Staaten der Europäischen Union sowie in Norwegen und der Schweiz.

Gewinner und Verlierer

Deutschland, Frankreich, Italien, die Niederlande, Schweden und Spanien registrierten 1999 gegenüber 1998 einen Rückgang der Insolvenzen. Gegen diesen Trend haben Großbritannien, Irland und Österreich die markantesten Zuwächse bei den Konkursen aufzuweisen. Insgesamt ist die Zahl der Insolvenzen in sieben Staaten Westeuropas gestiegen. Zehn Länder des Kontinents konnten im Jahre 1999 eine rückläufige Insolvenzentwicklung verzeichnen.

Land

1999
(absolut)

1998
(absolut)

Veränderung
(in Prozent)

Belgien

7.200

6.925

+ 4,0

Dänemark

1.700

1.800

- 5,6

Deutschland

33.500

33.947

- 1,4

Finnland

3.100

3.136

- 1,1

Frankreich

41.800

55.000

- 24,0

Griechenland

950

871

+ 9,1

Großbritannien

46.900

37.500

+ 25,1

Irland

830

686

+ 21,0

Italien

12.800

15.000

- 14,7

Luxemburg

560

423

+ 32,4

Niederlande

3.800

5.031

- 24,5

Norwegen

3.200

3.347

- 4,4

Österreich

8.900

7.319

+ 21,6

Portugal

410

380

+ 7,9

Schweden

7.300

9.200

- 20,7

Schweiz

8.500

8.850

- 4,0

Spanien

770

896

- 14,1

Gesamt

182.220

190.311

- 4,3

Längerfristige Entwicklung

Der Höhepunkt der Insolvenzwelle in Europa wurde Anfang der neunziger Jahre erreicht. Seit 1994 - mit 206.430 Unternehmenszusammenbrüchen - bewegen sich die Insolvenzzahlen im europäischen Durchschnitt nach unten. Zwischen 1994 und 1999 lag der Rückgang in den Ländern Westeuropas bei durchschnittlich 11,7 Prozent.

Gegen diesen längerfristigen Trend hat sich vor allem Deutschland mit einem Zuwachs von 34,4 Prozent negativ hervorgehoben. Demgegenüber konnte die Stabilität der Unternehmen in den skandinavischen Ländern, aber auch in Frankreich, den Niederlanden, Italien und Spanien verbessert werden.

Insolvenzentwicklung in Europa von 1994 bis 1999 (in Prozent)

positiv

negativ

Dänemark

- 53,9

Luxemburg

+ 85,4

Spanien

- 53,8

Österreich

+ 83,5

Schweden

- 53,4

Portugal

+ 67,4

Finnland

- 44,1

Deutschland

+ 34,4

Niederlande

- 42,8

Irland

+ 29,7

Frankreich

- 26.1

Belgien

+ 13,3

Italien

- 22,5

Griechenland

+ 7,4

Norwegen

- 21,7

 

 

Schweiz

- 17,9

 

 

Großbritannien

- 1,3

 

 

Exkurs: Unternehmenslandschaft in der Europäischen Union

Ende der neunziger Jahre agierten mehr als 18 Millionen Unternehmen in der Europäischen Union. Diese beschäftigten mehr als 110 Millionen Menschen. Über 99 Prozent der Betriebe gehörten zum Mittelstand. Jedes Jahr entstehen rund zwei Millionen neue Unternehmen. Gleichzeitig werden zwischen 1,6 und 1,8 Millionen Betriebe aus den Registern gelöscht.

Entscheidend für die wirtschaftliche Entwicklung in Europa sind die "Big Five" - Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien. Diese Länder vereinigen rund 80 Prozent aller Unternehmen und Beschäftigten sowie Vierfünftel des Umsatzes der Wirtschaftsgemeinschaft auf sich.

In allen fünf Ländern dominierte der Tertiärsektor (Handel und Dienstleistungen) das Gründungsgeschehen. Italien wies mit 32,5 Prozent, den geringsten Dienstleistungsanteil bei den Existenzgründern auf. In Deutschland lag der Anteil mit 53,0 Prozent am höchsten. Italien hatte demgegenüber auch beim Verarbeitenden Gewerbe mit 15,4 Prozent und beim Baugewerbe mit 16,3 Prozent ein hohes Gründungsaufkommen. In den vier anderen Ländern lag der Anteil der Gründungen im Verarbeitenden Gewerbe bei deutlich unter zehn Prozent an allen Unternehmensneugründungen.

Unternehmensgröße

Europas Insolvenzgeschehen konzentrierte sich auf Kleinbetriebe mit weniger als zehn Mitarbeitern. Mehr als 90 Prozent aller Konkursunternehmen in Europa beschäftigten höchstens neun Mitarbeiter. Ausnahmen waren lediglich Deutschland mit einem Anteil von 70 Prozent Kleinunternehmen unter den Insolvenzbetrieben und die Niederlande mit einem Anteil von 67 Prozent.

Arbeitsplatzverluste

1999 wurden in Westeuropa 1,4 Millionen Arbeitskräfte durch Insolvenzen freigesetzt. 1998 waren es noch 1,6 Millionen Beschäftigte und 1996 sogar 1,7 Millionen. Auch bei den insolvenzbedingten Arbeitsplatzverlusten zeichnet sich somit eine positive Entwicklung ab.

Branchenverteilung

Dienstleistungsunternehmen und Handelsbetriebe waren von allen Branchen am häufigsten von Insolvenzen betroffen. Der Anteil der Dienstleister am Insolvenzaufkommen lag zwischen 14 Prozent in Spanien und 37 Prozent in Deutschland. Im Handel betrug der Anteil zwischen 25 Prozent in Spanien und 52 Prozent in Belgien und Norwegen. Gleichwohl blieben die Anteile unter den jeweiligen Anteilen, den diese Branchen am Gründungsgeschehen hatten. Demgegenüber wies das Verarbeitende Gewerbe mit einem Insolvenzanteil zwischen 10 Prozent in Belgien und 42 Prozent in Spanien ein relativ hohes Insolvenzaufkommen - bezogen auf das Gründungsaufkommen - auf. Negativ machte auch der Bausektor von sich reden. Der Anteil dieses Wirtschaftsbereiches an den Insolvenzen lag zwischen 12 Prozent in Belgien und 27 Prozent in Deutschland.

Kapitalausstattung europäischer Unternehmen

Der sicherste Weg, eine Insolvenz zu vermeiden, ist ein hoher Eigenkapitalanteil. Gerade in Deutschland weisen aber mittelständische Unternehmen häufig nur Eigenkapitalquoten zwischen 10 und 20 Prozent auf. Demgegenüber haben Mittelständler in Großbritannien und in den Niederlanden üblicherweise Eigenmittel von über 50 Prozent der Bilanzsumme.

Auch bei den Wegen, Eigenkapital zu beschaffen, sollten sich deutsche Mittelständler sowohl an ihren europäischen Nachbarn, als auch an großen Unternehmen orientieren. So nutzen beispielsweise französische und britische Unternehmen in sehr viel höherem Maße als deutsche Firmen den freien Kapitalmarkt. Außerdem finanzieren sich in Deutschland große Unternehmen (mit mehr als 100 Millionen Mark Umsatz) nur zu rund sieben Prozent der Bilanzsumme über Bankkredite. Bei den Kleinunternehmen (mit weniger als fünf Millionen Mark Umsatz) werden immerhin rund 40 Prozent der Bilanzsumme von der Bank finanziert.

Durch den sogenannten "Baseler Akkord" steht auch in Deutschland eine Änderung des "Hausbankprinzips" bevor. Danach werden Kreditgeber zu mehr Eigenkapital verpflichtet, wenn sie unter ihren Kreditnehmern hohe Ausfallrisiken haben. Gerade der "anfällige Mittelstand" und insbesondere Neugründer werden somit zum "teuren Risiko" für die Banken. Auch Deutschlands Mittelstand wird daher in der Zukunft verstärkt auf den freien Kapitalmarkt zurückgreifen müssen.

Hinzu kommt, dass das deutsche Insolvenzrecht die Sicherungsmöglichkeiten der Banken bei einer Insolvenz des Schuldners beschneidet. In Frankreich, wo eine Insolvenzrechtsreform bereits im Jahre 1994 umgesetzt wurde, betreiben die Unternehmen schon heute eine deutlich stärkere Eigenfinanzierung. Allerdings hat sich dort auch die Finanzierung über Lieferantenkredite weiter ausgedehnt.

Insolvenzgründe

In Belgien, Griechenland, Italien, Spanien und Frankreich wurden Zahlungsverzögerungen und Zahlungsausfälle als Hauptgründe für Unternehmenszusammenbrüche genannt. Das Ausschöpfen von Lieferantenkrediten war damit einer der wichtigsten Insolvenzgründe in Europa.

Lange auf ihr Geld warten mußten Unternehmen, die Waren nach Italien (92 Tage), Frankreich (60 Tage) oder Belgien (63 Tage) geliefert haben. Weniger lange dauerte der Zahlungseingang in den Niederlanden (44 Tage), Deutschland (41 Tage) und in Schweden (31 Tage). Insgesamt haben sich in den sechs europäischen Ländern die Zeiträume bis zum Zahlungseingang verkürzt.

Ausblick

Die Steuerreform der Bundesregierung bringt eine Entlastung für deutsche Unternehmen. Damit liegt Deutschland bei den Unternehmenssteuern zwar 19 Prozent unter dem französischen Wert. Gleichwohl rangiert die Steuerlast deutscher Unternehmen immer noch 19,6 Prozent über dem niederländischen und sogar 32 Prozent über dem britischen Vergleichswert.

Wie dringend erforderlich eine Steuerentlastung für deutsche Betriebe war und immer noch ist, zeigt auch ein Vergleich der Nettorenditen in Europa. So haben Länder mit einer verbesserten Insolvenzsituation in der Regel auch gute Umsatzrenditen vorzuweisen. Beispielsweise betrug die Nettoumsatzrendite in Großbritannien 5,7 Prozent, in Schweden 5,1 Prozent und in den Niederlanden 4,8 Prozent. In Deutschland lag der Wert bei 3,0 Prozent. Den Zusammenhang zwischen Unternehmensrendite einerseits und Insolvenzneigung andererseits zeigen die Branchenwerte in den einzelnen Ländern noch prägnanter. Stark insolvenzgefährdete Wirtschaftsbereiche - wie Bau und Handel - erzielten in Deutschland Nettoumsatzrenditen von 0,6 bzw. 1,7 Prozent. Demgegenüber erreichte Großbritanniens Bausektor 3,6 Prozent Gewinn. In den Niederlanden lag der Wert bei 3,2 Prozent.

Insgesamt hat sich Deutschland im Laufe der neunziger Jahre als eines der europäischen Länder mit hohem Insolvenzaufkommen negativ profiliert. Bedeutet der leichte Rückgang der Unternehmenszusammenbrüche 1999 schon einen "Turn around" für die deutschen Unternehmen? Ein Blick zu den europäischen Nachbarn - beispielsweise nach Großbritannien, Frankreich, Schweden und in die Niederlande - zeigt, daß insbesondere zwei Faktoren eine entscheidende Rolle für die Stabilität von Unternehmen spielen: Die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen - etwa im Steuerrecht - und die Möglichkeiten, den freien Kapitalmarkt zu nutzen. Vor dem Hintergrund einer guten Konjunkturentwicklung in Deutschland und Westeuropa könnte eine Verbesserung der Finanzierung somit für einen weiteren Rückgang der Unternehmenszusammenbrüche in der Europäischen Gemeinschaft sorgen.

Weitere Informationen zum Thema "Insolvenzen in Europa" - können der folgenden Publikation entnommen werden:

Verband der Vereine Creditreform e.V. (Hrsg.),
Insolvenzen in Europa 1999/2000: Eine Untersuchung der Creditreform Wirtschafts- und Konjunkturforschung,
Neuss, 2000

Autor

Michael Bretz
Leiter Wirtschafts- und Konjunkturforschung
Verband der Vereine Creditreform e.V.
Hellersbergstraße 12
41460 Neuss
Telefon 0 21 31 / 109 - 171
Telefax 0 21 31 / 109 - 176
Internet: www.creditreform.de
E-Mail: creditreform@verband.creditreform.de

Erstveröffentlichung im Krisennavigator (ISSN 1619-2389):
3. Jahrgang (2000), Ausgabe 4 (April)


Vervielfältigung und Verbreitung - auch auszugsweise - nur mit ausdrücklicher
schriftlicher Genehmigung des Krisennavigator - Institut für Krisenforschung, Kiel.
© Krisennavigator 1998-2024. Alle Rechte vorbehalten. ISSN 1619-2389.
Internet:
www.krisennavigator.de | E-Mail: poststelle@ifk-kiel.de

Krisenthemen
Aktuell
Kurzmeldungen
Krisenmanagement
Restrukturierungsmanagement
Krisenkommunikation
Themenmanagement
Krisenpsychologie
Risikomanagement
Compliancemanagement
Sicherheitsmanagement
Katastrophenmanagement
Business Continuity Management
Krisenforschungsinstitut
Kurzprofil
Bereiche
Publikationen
Interviews
Vorträge
Stellungnahmen
Veranstaltungen
Zeitschriften
Stellenangebote
Ansprechpartner
Krisenberatung
Kurzprofil
Leistungsübersicht
Einzelleistungen
Kommunikationslösungen
Komplettsysteme
Basislösungen
BCM-Systeme
Referenzen
Ansprechpartner
Krisenakademie
Kurzprofil
Leistungsübersicht
Krisenübung & Medientraining
Krisengipfel & Fachtagungen
Seminare & Schulungen
Vorträge & Vorlesungen
Zertifikatslehrgänge
Ansprechpartner
Deutsch   /  English  Letzte Aktualisierung: Donnerstag, 28. März 2024
        Krisenkompetenz als langfristiger Erfolgsfaktor.

Krisennavigator

 

Insolvenzen in Europa 1999

von Michael Bretz

Überblick

Im Jahre 1999 wurden in Westeuropa 182.200 Insolvenzen gezählt. 1998 waren es noch 190.300. Der Rückgang liegt bei 4,3 Prozent. Insgesamt basiert die vorliegende Insolvenzstatistik auf den Daten zum Insolvenzgeschehen in 15 Staaten der Europäischen Union sowie in Norwegen und der Schweiz.

Gewinner und Verlierer

Deutschland, Frankreich, Italien, die Niederlande, Schweden und Spanien registrierten 1999 gegenüber 1998 einen Rückgang der Insolvenzen. Gegen diesen Trend haben Großbritannien, Irland und Österreich die markantesten Zuwächse bei den Konkursen aufzuweisen. Insgesamt ist die Zahl der Insolvenzen in sieben Staaten Westeuropas gestiegen. Zehn Länder des Kontinents konnten im Jahre 1999 eine rückläufige Insolvenzentwicklung verzeichnen.

Land

1999
(absolut)

1998
(absolut)

Veränderung
(in Prozent)

Belgien

7.200

6.925

+ 4,0

Dänemark

1.700

1.800

- 5,6

Deutschland

33.500

33.947

- 1,4

Finnland

3.100

3.136

- 1,1

Frankreich

41.800

55.000

- 24,0

Griechenland

950

871

+ 9,1

Großbritannien

46.900

37.500

+ 25,1

Irland

830

686

+ 21,0

Italien

12.800

15.000

- 14,7

Luxemburg

560

423

+ 32,4

Niederlande

3.800

5.031

- 24,5

Norwegen

3.200

3.347

- 4,4

Österreich

8.900

7.319

+ 21,6

Portugal

410

380

+ 7,9

Schweden

7.300

9.200

- 20,7

Schweiz

8.500

8.850

- 4,0

Spanien

770

896

- 14,1

Gesamt

182.220

190.311

- 4,3

Längerfristige Entwicklung

Der Höhepunkt der Insolvenzwelle in Europa wurde Anfang der neunziger Jahre erreicht. Seit 1994 - mit 206.430 Unternehmenszusammenbrüchen - bewegen sich die Insolvenzzahlen im europäischen Durchschnitt nach unten. Zwischen 1994 und 1999 lag der Rückgang in den Ländern Westeuropas bei durchschnittlich 11,7 Prozent.

Gegen diesen längerfristigen Trend hat sich vor allem Deutschland mit einem Zuwachs von 34,4 Prozent negativ hervorgehoben. Demgegenüber konnte die Stabilität der Unternehmen in den skandinavischen Ländern, aber auch in Frankreich, den Niederlanden, Italien und Spanien verbessert werden.

Insolvenzentwicklung in Europa von 1994 bis 1999 (in Prozent)

positiv

negativ

Dänemark

- 53,9

Luxemburg

+ 85,4

Spanien

- 53,8

Österreich

+ 83,5

Schweden

- 53,4

Portugal

+ 67,4

Finnland

- 44,1

Deutschland

+ 34,4

Niederlande

- 42,8

Irland

+ 29,7

Frankreich

- 26.1

Belgien

+ 13,3

Italien

- 22,5

Griechenland

+ 7,4

Norwegen

- 21,7

 

 

Schweiz

- 17,9

 

 

Großbritannien

- 1,3

 

 

Exkurs: Unternehmenslandschaft in der Europäischen Union

Ende der neunziger Jahre agierten mehr als 18 Millionen Unternehmen in der Europäischen Union. Diese beschäftigten mehr als 110 Millionen Menschen. Über 99 Prozent der Betriebe gehörten zum Mittelstand. Jedes Jahr entstehen rund zwei Millionen neue Unternehmen. Gleichzeitig werden zwischen 1,6 und 1,8 Millionen Betriebe aus den Registern gelöscht.

Entscheidend für die wirtschaftliche Entwicklung in Europa sind die "Big Five" - Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien. Diese Länder vereinigen rund 80 Prozent aller Unternehmen und Beschäftigten sowie Vierfünftel des Umsatzes der Wirtschaftsgemeinschaft auf sich.

In allen fünf Ländern dominierte der Tertiärsektor (Handel und Dienstleistungen) das Gründungsgeschehen. Italien wies mit 32,5 Prozent, den geringsten Dienstleistungsanteil bei den Existenzgründern auf. In Deutschland lag der Anteil mit 53,0 Prozent am höchsten. Italien hatte demgegenüber auch beim Verarbeitenden Gewerbe mit 15,4 Prozent und beim Baugewerbe mit 16,3 Prozent ein hohes Gründungsaufkommen. In den vier anderen Ländern lag der Anteil der Gründungen im Verarbeitenden Gewerbe bei deutlich unter zehn Prozent an allen Unternehmensneugründungen.

Unternehmensgröße

Europas Insolvenzgeschehen konzentrierte sich auf Kleinbetriebe mit weniger als zehn Mitarbeitern. Mehr als 90 Prozent aller Konkursunternehmen in Europa beschäftigten höchstens neun Mitarbeiter. Ausnahmen waren lediglich Deutschland mit einem Anteil von 70 Prozent Kleinunternehmen unter den Insolvenzbetrieben und die Niederlande mit einem Anteil von 67 Prozent.

Arbeitsplatzverluste

1999 wurden in Westeuropa 1,4 Millionen Arbeitskräfte durch Insolvenzen freigesetzt. 1998 waren es noch 1,6 Millionen Beschäftigte und 1996 sogar 1,7 Millionen. Auch bei den insolvenzbedingten Arbeitsplatzverlusten zeichnet sich somit eine positive Entwicklung ab.

Branchenverteilung

Dienstleistungsunternehmen und Handelsbetriebe waren von allen Branchen am häufigsten von Insolvenzen betroffen. Der Anteil der Dienstleister am Insolvenzaufkommen lag zwischen 14 Prozent in Spanien und 37 Prozent in Deutschland. Im Handel betrug der Anteil zwischen 25 Prozent in Spanien und 52 Prozent in Belgien und Norwegen. Gleichwohl blieben die Anteile unter den jeweiligen Anteilen, den diese Branchen am Gründungsgeschehen hatten. Demgegenüber wies das Verarbeitende Gewerbe mit einem Insolvenzanteil zwischen 10 Prozent in Belgien und 42 Prozent in Spanien ein relativ hohes Insolvenzaufkommen - bezogen auf das Gründungsaufkommen - auf. Negativ machte auch der Bausektor von sich reden. Der Anteil dieses Wirtschaftsbereiches an den Insolvenzen lag zwischen 12 Prozent in Belgien und 27 Prozent in Deutschland.

Kapitalausstattung europäischer Unternehmen

Der sicherste Weg, eine Insolvenz zu vermeiden, ist ein hoher Eigenkapitalanteil. Gerade in Deutschland weisen aber mittelständische Unternehmen häufig nur Eigenkapitalquoten zwischen 10 und 20 Prozent auf. Demgegenüber haben Mittelständler in Großbritannien und in den Niederlanden üblicherweise Eigenmittel von über 50 Prozent der Bilanzsumme.

Auch bei den Wegen, Eigenkapital zu beschaffen, sollten sich deutsche Mittelständler sowohl an ihren europäischen Nachbarn, als auch an großen Unternehmen orientieren. So nutzen beispielsweise französische und britische Unternehmen in sehr viel höherem Maße als deutsche Firmen den freien Kapitalmarkt. Außerdem finanzieren sich in Deutschland große Unternehmen (mit mehr als 100 Millionen Mark Umsatz) nur zu rund sieben Prozent der Bilanzsumme über Bankkredite. Bei den Kleinunternehmen (mit weniger als fünf Millionen Mark Umsatz) werden immerhin rund 40 Prozent der Bilanzsumme von der Bank finanziert.

Durch den sogenannten "Baseler Akkord" steht auch in Deutschland eine Änderung des "Hausbankprinzips" bevor. Danach werden Kreditgeber zu mehr Eigenkapital verpflichtet, wenn sie unter ihren Kreditnehmern hohe Ausfallrisiken haben. Gerade der "anfällige Mittelstand" und insbesondere Neugründer werden somit zum "teuren Risiko" für die Banken. Auch Deutschlands Mittelstand wird daher in der Zukunft verstärkt auf den freien Kapitalmarkt zurückgreifen müssen.

Hinzu kommt, dass das deutsche Insolvenzrecht die Sicherungsmöglichkeiten der Banken bei einer Insolvenz des Schuldners beschneidet. In Frankreich, wo eine Insolvenzrechtsreform bereits im Jahre 1994 umgesetzt wurde, betreiben die Unternehmen schon heute eine deutlich stärkere Eigenfinanzierung. Allerdings hat sich dort auch die Finanzierung über Lieferantenkredite weiter ausgedehnt.

Insolvenzgründe

In Belgien, Griechenland, Italien, Spanien und Frankreich wurden Zahlungsverzögerungen und Zahlungsausfälle als Hauptgründe für Unternehmenszusammenbrüche genannt. Das Ausschöpfen von Lieferantenkrediten war damit einer der wichtigsten Insolvenzgründe in Europa.

Lange auf ihr Geld warten mußten Unternehmen, die Waren nach Italien (92 Tage), Frankreich (60 Tage) oder Belgien (63 Tage) geliefert haben. Weniger lange dauerte der Zahlungseingang in den Niederlanden (44 Tage), Deutschland (41 Tage) und in Schweden (31 Tage). Insgesamt haben sich in den sechs europäischen Ländern die Zeiträume bis zum Zahlungseingang verkürzt.

Ausblick

Die Steuerreform der Bundesregierung bringt eine Entlastung für deutsche Unternehmen. Damit liegt Deutschland bei den Unternehmenssteuern zwar 19 Prozent unter dem französischen Wert. Gleichwohl rangiert die Steuerlast deutscher Unternehmen immer noch 19,6 Prozent über dem niederländischen und sogar 32 Prozent über dem britischen Vergleichswert.

Wie dringend erforderlich eine Steuerentlastung für deutsche Betriebe war und immer noch ist, zeigt auch ein Vergleich der Nettorenditen in Europa. So haben Länder mit einer verbesserten Insolvenzsituation in der Regel auch gute Umsatzrenditen vorzuweisen. Beispielsweise betrug die Nettoumsatzrendite in Großbritannien 5,7 Prozent, in Schweden 5,1 Prozent und in den Niederlanden 4,8 Prozent. In Deutschland lag der Wert bei 3,0 Prozent. Den Zusammenhang zwischen Unternehmensrendite einerseits und Insolvenzneigung andererseits zeigen die Branchenwerte in den einzelnen Ländern noch prägnanter. Stark insolvenzgefährdete Wirtschaftsbereiche - wie Bau und Handel - erzielten in Deutschland Nettoumsatzrenditen von 0,6 bzw. 1,7 Prozent. Demgegenüber erreichte Großbritanniens Bausektor 3,6 Prozent Gewinn. In den Niederlanden lag der Wert bei 3,2 Prozent.

Insgesamt hat sich Deutschland im Laufe der neunziger Jahre als eines der europäischen Länder mit hohem Insolvenzaufkommen negativ profiliert. Bedeutet der leichte Rückgang der Unternehmenszusammenbrüche 1999 schon einen "Turn around" für die deutschen Unternehmen? Ein Blick zu den europäischen Nachbarn - beispielsweise nach Großbritannien, Frankreich, Schweden und in die Niederlande - zeigt, daß insbesondere zwei Faktoren eine entscheidende Rolle für die Stabilität von Unternehmen spielen: Die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen - etwa im Steuerrecht - und die Möglichkeiten, den freien Kapitalmarkt zu nutzen. Vor dem Hintergrund einer guten Konjunkturentwicklung in Deutschland und Westeuropa könnte eine Verbesserung der Finanzierung somit für einen weiteren Rückgang der Unternehmenszusammenbrüche in der Europäischen Gemeinschaft sorgen.

Weitere Informationen zum Thema "Insolvenzen in Europa" - können der folgenden Publikation entnommen werden:

Verband der Vereine Creditreform e.V. (Hrsg.),
Insolvenzen in Europa 1999/2000: Eine Untersuchung der Creditreform Wirtschafts- und Konjunkturforschung,
Neuss, 2000

Autor

Michael Bretz
Leiter Wirtschafts- und Konjunkturforschung
Verband der Vereine Creditreform e.V.
Hellersbergstraße 12
41460 Neuss
Telefon 0 21 31 / 109 - 171
Telefax 0 21 31 / 109 - 176
Internet: www.creditreform.de
E-Mail: creditreform@verband.creditreform.de

Erstveröffentlichung im Krisennavigator (ISSN 1619-2389):
3. Jahrgang (2000), Ausgabe 4 (April)

Deutsch   /  English 

Letzte Aktualisierung: Donnerstag, 28. März 2024

       

© Krisennavigator, Kiel / Hamburg. Alle Rechte vorbehalten.

Vervielfältigung und Verbreitung - auch auszugsweise - nur mit ausdrücklicher schriftlicher Genehmigung des Krisennavigator - Institut für Krisenforschung, Kiel.

Internet: www.krisennavigator.de
E-Mail: poststelle@ifk-kiel.de