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von Dr. Lutz Mackebrandt
Über die am 1. Januar 1999 in Kraft getretene Insolvenzrechtsreform ist unter vielfältigen Gesichtspunkten berichtet worden. Ein wesentlicher Aspekt fand dabei jedoch nicht unbedingt genügend Beachtung: die möglichen Auswirkungen der Insolvenzrechtsreform auf Kreditgeschäfte und insbesondere auf die Gründungsfinanzierung.
Zum besseren Verständnis der folgenden Ausführungen werden zunächst einige wesentliche Veränderungen des neuen Insolvenzrechtes stichwortartig dargestellt:
Daß die geänderte Insolvenzrechtsordnung Auswirkungen auf die Positionen der Schuldner und Gläubiger hat, dokumentiert sich an zwei gegenläufigen Entwicklungen aus der Schlußphase des Jahres 1998:
Offensichtlich scheint sich die Gläubigerposition durch das neue Insolvenzrecht zu verschlechtern. Demgegenüber ist es für das schuldnerische Unternehmen anscheinend von Vorteil, den Regelungen der neuen Insolvenzordnung zu unterliegen - wenngleich ein solches "Hinüberretten" durchaus mit der Gefahr einer Konkursverschleppung und entsprechenden zivil- bzw. strafrechtlichen Folgen einhergehen könnte. Es sei an dieser Stelle daher daran erinnert, daß der Gesetzgeber die Flut der masselosen Insolvenzverfahren auch durch masseschonende bzw. massemehrende Vorschriften in der neuen Insolvenzordnung begrenzen wollte. Diese Vorschriften können häufig auch vermeintlich zu Lasten der Gläubiger gehen.
Auf welche Veränderungen müssen wir uns in der Existenzgründungsberatung einstellen? Die grundsätzliche Ausgangslage eines Existenzgründers ist im klassischen Fall von geringem Eigenkapital gekennzeichnet. Dieses zwingt zur Ausnutzung der gesamten Palette an Finanzierungshilfen für Existenzgründer. Sicherheiten sind in der Regel nicht in ausreichendem Umfang vorhanden. Bilanzielle Aktivpositionen, die zur Kreditsicherung dienen könnten, werden erst noch geschaffen. Das Anlagevermögen ist noch zu erwerben. Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe müssen noch beschafft und teilfertige Leistungen erst noch erbracht werden. Auch Forderungen entstehen erst zukünftig. Letzteres geschieht im wesentlichen durch den klassischen Aktiv-Tausch (Anlage- und Umlaufvermögen gegen Kasse) und findet seine Gegenposition auf der Passiv-Seite unter den bekannten Geldverbindlichkeiten.
Eine persönliche Bürgschaft des Jungunternehmers ist unvermeidlich. Es könnte an dieser Stelle eingewandt werden, daß eine solche Bürgschaft ohnehin nichts wert sei, da einem Gründer mit Vermögen beispielsweise keine Eigenkapitalhilfe gewährt worden wäre. Wir gehen jedoch davon aus, daß diese Bürgschaft mehr ist als nur eine sogenannte "moralische Verhaftung" und zu gegebener Zeit durchaus eine materiell bewertbare Sicherheit darstellt. Außerdem muß bei der Beitreibung von Bürgschaftsverpflichtungen langfristig gedacht werden - geradezu in Generationssprüngen, denn Ansprüche aus Bürgschaften verjähren erst nach 30 Jahren. Innerhalb dieses Zeitraums dürfte auch ein gescheiterter Gründer wieder zu Einkommen und Vermögen gekommen sein. Hinzu kommt, daß - anders als im bisherigen Insolvenzrecht - das sogenannte "Neuvermögen" mit zur Haftung herangezogen werden kann.
An dieser Stelle setzt eine wesentliche Änderung des neuen Insolvenzrechts an. Im § 1 der Insolvenzordnung heißt es:
"Das Insolvenzverfahren dient dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird. Dem redlichen Schuldner wird Gelegenheit gegeben, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien."
Die Betonung liegt dabei auf Satz 2 dieser Vorschrift. Politisch gewollt ist es, hochverschuldete natürliche Personen nicht in die Schattenwirtschaft oder die Schwarzarbeit zu treiben, sondern ihnen im Rahmen ihrer zukünftigen Einkünfte und ihres bestehenden Vermögens - notfalls mit einer Minimalquote - Entschuldung zu gewähren. Die Diskussion über den sogenannten "Nullplan" ebbt nicht ab. Der Vorstoß der Länder, eine Mindestquote von 10 Prozent zu verlangen, ist bisher fehlgeschlagen.
Im Rahmen der Existenzgründungsberatung werden wir bei der Konzepterstellung und bei der Konzeptprüfung wohl - noch mehr als bisher - die wirtschaftliche Tragfähigkeit der Konzeption darlegen und möglicherweise vorhandene Risiken beleuchten müssen. Außerdem betonen Geschäftsbanken immer wieder, daß es ihnen mehr auf die Konzeption und die Gründerpersönlichkeit als auf die vorhandenen Sicherheiten ankommt. Dennoch sollte - hinsichtlich möglicherweise vorhandener Risiken - nicht so weit gegangen werden, die Anforderungen des Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) beachten zu müssen. Jedoch erscheint es sinnvoll, auch bei der Existenzgründungsberatung dieses Gesetz nicht völlig außer Acht zu lassen. Spätestens bei erfolgreichem Verlauf der Wachstumsperiode wird der eine oder andere Gründer diesem Gesetz zwangsläufig unterliegen.
Häufig herrscht über die Möglichkeit der Restschuldbefreiung und der Verbraucherinsolvenz ein etwas verschwommenes Bild. Beide Begriffe sollen daher im folgenden anhand einer vereinfachten Darstellung kurz erläutert werden.
Antragsberechtigt sind natürliche Personen einschließlich der sogenannten "Minderkaufleute" nach § 4 Handelsgesetzbuch. Darin eingeschlossen sind auch die geschäftsführenden Gesellschafter einer GmbH, die sich für Verbindlichkeiten der Gesellschaft gegenüber Kreditinstituten persönlich verbürgt haben oder die Eigenkapitalhilfe aufgenommen haben. Die zuvor genannten antragsberechtigten Personen werden dabei als sogenannte "angestellte Verbraucher" aufgefaßt, so daß sie unter die entsprechenden Regelungen der Insolvenzordnung fallen. Ungünstiger sieht es für Freiberufler oder tätige Gesellschafter von Personengesellschaften aus, deren Geschäftsbetrieb eine vollkaufmännische Organisation erfordert.
Bleiben wir vereinfachend bei dem geschäftsführenden Gesellschafter. Die insolvent gewordene natürliche Person hat die gleichen Möglichkeiten zur Stellung eines Insolvenzantrages wie beispielsweise eine Kapitalgesellschaft - nämlich wegen Zahlungsunfähigkeit und - besonders wichtig - wegen drohender Zahlungsunfähigkeit (§§ 17 und 18 Insolvenzordnung). In unserem Beispiel wird der geschäftsführende Gesellschafter von verschiedenen Kreditinstituten in Anspruch genommen und stellt nach kurzer Überlegung fest, daß er nicht in der Lage ist, diese Schulden auch nur annähernd zu begleichen. Er versucht zunächst, eine außergerichtliche Schuldenregulierung durchzuführen. Gelingt ihm dieses, hat er praktisch einen Vergleich mit seinen Gläubigern geschlossen. Es tritt die Schuldbefreiung nach Erledigung der entsprechenden Zahlungen ein.
Scheitert jedoch dieses außergerichtliche Verfahren zur Schuldenregulierung und wird dieses dem Schuldner von einer sogenannten "geeignete Stelle" (§ 305 Insolvenzordnung) bestätigt, so stellt der Schuldner bei Gericht den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der Restschuldbefreiung. Das Gericht versucht nun abermals, den einzelnen Gläubigern einen Vergleich zu vermitteln. Dieser kommt zustande, wenn die Kopf- und Summenmehrheit der abstimmenden Gläubiger dem Vergleich zustimmt. Sollte dieses der Fall sein, so wird ein klassischer Vergleich nach dem Prinzip "Schuldbefreiung nach Zahlung der entsprechenden Beträge an die Gläubiger" realisiert..
In unserem Beispiel geht dieses leider auch schief. Das beantragte Insolvenzverfahren lebt praktisch wieder auf und wird im Wege des vereinfachten Insolvenzverfahrens abgewickelt. Hierzu nimmt ein bestellter Treuhänder die Verwertung des verwertbaren Vermögens unseres Schuldners in die Hand. Dem schließt sich eine sogenannte "Wohlverhaltensperiode" von sieben Jahren an. Innerhalb dieser Zeitspanne überantwortet der Schuldner sein pfändbares Einkommen dem Treuhänder. Dieser befriedigt damit weiter quotal die Gläubiger. Unglücklich wäre es für unseren Schuldner, wenn er in der fraglichen Zeit zum Erben würde, denn 50 Prozent seines Erbes müßte er ebenfalls seinen Gläubigern zur Verfügung stellen.
Wir gehen in unserem Beispiel davon aus, daß unser ehemaliger geschäftsführender Gesellschafter die sieben Jahre übersteht und auch alle Verpflichtungen erfüllt hat. Seitens des Gerichtes wird ihm der Beschluß über die Befreiung von seinen Restschulden ausgefertigt. Schließlich übersteht er auch die einjährige "Zitterphase", in der sich die Gläubiger noch störend einschalten können (§ 303 Insolvenzordnung). Eine juristische Besonderheit hierbei ist, daß die Schulden damit nicht erloschen sind. Für den Schuldner selbst ist dieses fast ohne Bedeutung. Jedoch können die Gläubiger auf Bürgen oder Mithaftende des Schuldners weiterhin zurückgreifen, ohne daß diese - Bürgen oder Mithaftenden - ihrerseits auf den Schuldner zurückgreifen können (§ 301 Absatz 2 Satz 1 Insolvenzordnung).
Die Redlichkeit des Schuldners setzt zum einen voraus, daß er sich an die Verfahrensregeln hält und die versprochenen Leistungen erbringt. Zum anderen darf er nicht rechtskräftig wegen eines sogenannten "Bankrott-Deliktes" nach den §§ 283 bis 283c des Strafgesetzbuches verurteilt worden sein. Verbindlichkeiten, die innerhalb der siebenjährigen Wohlverhaltensperiode nicht getilgt wurden, werden am Ende des Verfahrens erlassen. Soweit sich nicht wieder jemand für den Schuldner verbürgt hat, kommt es für die Kreditinstitute zum endgültigen Ausfall ihrer Forderungen.
Der Einfluß der neuen Insolvenzordnung auf die Kreditvergabe ist am einfachsten zu erläutern durch eine Darstellung der Sicherheitenverwertung im Insolvenzverfahren. Die folgenden Beispiele sollen dieses verdeutlichen:
Banken haben künftig geringere Verwertungsrechte und können an der Verwertung zeitlich befristet gehindert werden. Außerdem müssen sie Kostenbeiträge zur Masse leisten und häufig ohne Nachteilsausgleich den Berichtstermin abwarten. Insbesondere bei abgetretenen Forderungen wird durch die Verwertungsbeiträge das Besicherungsvolumen noch geringer. Entsprechendes gilt für die Sicherungsübereignung sowie zum Teil für Grundstücke und vollumfänglich für Grundstückszubehör.
Bis die Rechtsprechung neugefaßte Kreditverträge auf ihre Vereinbarkeit mit der neuen Insolvenzordnung überprüft hat, führt dieses zu Unsicherheiten. Unklar ist beispielsweise, ob bei der Abtretung von Forderungen die Verwertungsbeiträge in Höhe von 9 Prozent einfach zugeschlagen werden dürfen. Das zur Besicherung dienende Vermögen der Schuldner würde sich dadurch nominal um 9 Prozent - im Extremfall sogar um 25 Prozent - verringern.
Auch Leasingverträge sind durch die neue Insolvenzordnung nicht einfacher geworden. Im Gegenteil: Die sogenannte "Kündigungssperre" verschließt für den Leasinggeber die Möglichkeit zur Kündigung wegen Verschlechterung der Vermögenslage des Leasingnehmers (§ 112 Insolvenzordnung). Auch ein Kündigungsrecht durch den Leasingnehmer besteht aufgrund der Insolvenz nicht. Erst nach Verfahrenseröffnung kann der Verwalter sein Wahlrecht ausüben (§ 103 Insolvenzordnung).
Im Detail können drei Fälle unterschieden werden. Dabei wird ausschließlich die entgeltliche Gebrauchsüberlassung von Sachen und Gegenständen betrachtet. Diese ist etwa vergleichbar mit Mietverträgen.
Das Anfechtungsrecht zählt zu den schwierigsten Rechtsgebieten innerhalb des neuen Insolvenzrechtes. Der Eigentümer einer Sache oder eines Gegenstandes ist sich oft nicht darüber im klaren, daß das Damokles-Schwert der Anfechtung über ihm schwebt und er damit das Eigentum unter Umständen nur auf Zeit begründet hat. Gleiches gilt auch für Kreditgeschäfte - beispielsweise bei den Kredittilgungen, bei der Bestellung von Sicherheiten in unterschiedlichen Phasen der unternehmerischen Krise, bei der Tilgung nicht fälliger Kredite und bei der Freigabe von Sicherheiten innerhalb der Anfechtungsfristen. Hierbei besteht die Gefahr, daß die Kreditinstitute Sicherheiten - trotz getilgter Kredite - erst nach Ablauf unterschiedlicher, äußerst kompliziert gefaßter Anfechtungsfristen freigeben.
Die Änderungen der Insolvenzrechtsreform gegenüber den alten Vorschriften (Konkursordnung und Vergleichsordnung in den alten Bundesländern bzw. Gesamtvollstreckungsordnung in den neuen Bundesländern) bleiben mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht ohne Auswirkungen auf die Gründungsfinanzierung. Besagt doch schon § 1 der Insolvenzordnung, daß dem redlichen Schuldner Gelegenheit gegeben wird, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien. Darüber hinaus wird die Möglichkeit eingeräumt, neben der Verwertung des schuldnerischen Vermögens mit Hilfe eines Insolvenzplanverfahrens Regelungen für den Erhalt des Unternehmens vorzunehmen.
Ist hier vielleicht der Weg vorgezeichnet, gescheiterten, aber redlichen Gründern eine zweite Chance einzuräumen? Die Entwicklung bleibt abzuwarten - insbesondere inwieweit die recht komplizierten Verfahren zur Verbraucherinsolvenz und zur Restschuldbefreiung tatsächlich realisiert werden können und inwieweit beispielsweise im Wege eines Insolvenzplanverfahrens unter Mitwirkung der Gläubiger eine Sanierung schuldnerischer Unternehmen möglich ist.
Dr. Lutz Mackebrandt |
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Erstveröffentlichung im Krisennavigator (ISSN 1619-2389):
2. Jahrgang (1999), Ausgabe 9 (September)
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Letzte Aktualisierung: Mittwoch, 9. Oktober 2024
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