Ein Spin-Off der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
27. Jahrgang (2024) - Ausgabe 4 (April) - ISSN 1619-2389
 

Down by law? -
Juristisches Sanierungsmanagement
in der New Economy

von Dr. Utz Brömmekamp und Oliver Oechsle

Überblick

Herkömmliche Sanierungskonzepte können in der New Economy nur selten zum Einsatz kommen, da den Gründungsgesellschaftern die Einbringung von weiterem Eigenkapital meistens nicht möglich ist, Banken unter Hinweis auf die besonderen Risiken der New Economy eine weitere Liquiditätsgewährung ablehnen und Gläubigerverzichte oder Rangrücktritte wegen des geringen Fremdkapitalanteils ebenfalls in den meisten Fällen ausscheiden.

Aussichtsreicher erscheint daher eine Sanierung über einen strategischen Investor. Dieser kann beispielsweise ein Venture Capital-Geber, aber auch ein Wettbewerber sein. Besondere Attraktivität für den potentiellen Investor bieten dabei die werthaltigen, immateriellen Vermögensgegenstände und die stillen, nicht aktivierungsfähigen Reserven des Unternehmens - beispielsweise die Domainnamen und Markenrechte, der Kundenstamm und das Wissen in den Köpfen der Mitarbeiter.

Scheitert eine solche außergerichtliche Sanierung, hält die Insolvenzordnung weitere, durchaus erwägenswerte Alternativen bereit. Aufgrund des neu eingeführten Insolvenztatbestands der „drohenden Zahlungsunfähigkeit“ kann bereits im Vorfeld einer Insolvenz mittels eines sogenannten „Prepacked Plan“ über die Gestaltung des späteren Insolvenzverfahrens entschieden werden. Hierdurch ist es dem Schuldner einerseits möglich, sich die Zustimmung seiner Gläubiger bereits im vorhinein zu sichern und andererseits mit dem Insolvenzantrag auch eine Sanierungs- und Fortführungslösung zu präsentieren.

Gesellschaftsrechtliche und bilanzielle Besonderheiten
von New Economy-Unternehmen

Die juristischen Gestaltungsmöglichkeiten bei der Bewältigung von Unternehmenskrisen sind vielfältig und facettenreich. Dieses gilt insbesondere in der New Economy, denn die Unternehmen der Neuen Wirtschaft unterscheiden sich zum Teil deutlich von den Firmen in traditionellen Branchen. In gesellschaftsrechtlicher Hinsicht können drei wesentliche Unterschiede festgestellt werden:

  • Rechtsform: Die Sanierungsberatung in der Old Economy fokussiert sich - jedenfalls im Mittelstand - im wesentlichen auf Einzelkaufleute, Gesellschaften mit beschränkter Haftung sowie Kommanditgesellschaften, bei denen eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung die Rolle der persönlich haftenden Gesellschafterin übernommen hat. Demgegenüber dominieren in der New Economy Aktiengesellschaften. Diese sind vielfach börsennotiert und haben im Regelfall ein breitgestreutes Aktienkapital.
  • Gesellschafterstruktur: Aktiengesellschaften verfügen nach dem Aktiengesetz über eine Gesellschafterstruktur, die nicht personifiziert, sondern anonymisiert ist. Bei vielen Krisenfällen stehen den Sanierungsberatern daher die Gesellschafter als Ansprechpartner nicht zur Verfügung. In New Economy-Unternehmen befindet sich demgegenüber die Mehrheit der Aktien häufig noch im Besitz der Gründer - also quasi in den Händen der „personifizierten Geschäftsidee“. Außerdem sind die Gründer vielfach noch im Vorstand oder schon im Aufsichtsrat des Unternehmens anzutreffen. Letzterer ist im allgemeinen das maßgebliche Entscheidungsorgan für die Umsetzung von Restrukturierungs- und Sanierungskonzepten.
  • Pflichtenkatalog: Als Aktiengesellschaften unterliegen auch die Krisenunternehmen in der New Economy den strengen Fristen und Formalien des Aktiengesetzes. Hierzu zählt beispielsweise bei börsennotierten Aktiengesellschaften die gesetzliche Pflicht, ein Frühwarn- und Risikomanagementsystem einzurichten (§ 91 Absatz 2 AktG). Hinzu kommen nach dem Wertpapierhandelsgesetz Vorschriften zur Ad-hoc-Publizität und andere „Insiderregeln“ (§§ 12-20 WpHG). Diese Vorschriften binden die verantwortlichen Berater und Manager bei einer Sanierung von Aktiengesellschaften in der New Economy im Regelfall stärker, als dieses bei der Sanierung von Einzelunternehmen oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung in der Old Economy der Fall ist.

Auch die Bilanzstruktur von Unternehmen der Neuen Wirtschaft unterscheidet sich deutlich von der in traditionellen Branchen.

  • Die Aktivseite der Bilanzen ist im Regelfall gekennzeichnet von einem hohen Anteil immaterieller Vermögensgegenstände - wie Lizenzen, Konzessionen, erworbenen Patenten und sonstigen gewerblichen Schutzrechten. Hinzu kommen - soweit noch vorhanden - vergleichsweise hohe liquide Mittel. Demgegenüber ist der Forderungsbestand - zumindest bei einem funktionierenden Forderungsmanagement - eher gering. Gleiches gilt für das Anlagevermögen. Die wahren Aktiva von New Economy-Unternehmen finden sich zumeist nicht in „Stahl und Stein“, sondern in den Köpfen der „Gründer und Macher“.
  • Auf der Passivseite ist der Bestand an Eigenkapital durch den Börsengang vergleichsweise hoch und das Fremdkapital vergleichsweise gering. Zumindest gesunde New Economy-Unternehmen nutzen Kreditinstitute meistens nur zur Finanzierung des Tagesgeschäfts über ein Kontokorrentverhältnis und halten den ohnehin relativ geringen Bestand an Verbindlichkeiten à jour.

Bedeutung unterschiedlicher Bilanzierungsregeln in der New Economy

Für die Einleitung von Sanierungsmaßnahmen ist es von nicht unwesentlicher Bedeutung, nach welchen Bilanzierungsregeln die Jahresabschlüsse des Unternehmens aufgestellt werden:

  • US-amerikanische Bilanzregeln (US-GAAP),
  • europäische Bilanzregeln (IAS),
  • deutsche Bilanzregeln (HGB).

Von den Vorschriften der US-GAAP sind zwar primär Konzernabschlüsse betroffen. Dennoch gibt es im Zuge der zunehmenden Globalisierung der Märkte Bestrebungen, die US-amerikanischen Bilanzierungsgrundsätze auch auf die Einzelabschlüsse deutscher Unternehmen anzuwenden.

Während das deutsche Bilanzrecht dem „Vorsichtsprinzip“ unterliegt, sind US-amerikanische Jahresabschlüsse vor allem dem „Shareholder-Value“ verpflichtet. Die Bewertungsvorschriften und Aktivierungsansätze beider Bilanzierungsregeln unterscheiden sich daher zum Teil deutlich voneinander. So führen die US-GAAP im allgemeinen zu einem höherem Eigenkapital, geringeren stillen Reserven und einem höheren Gewinnausweis. Abschreibungen werden entsprechend der tatsächlichen Nutzungsdauer auf längere Zeiträume erstreckt. Im Anlage- und Umlaufvermögen muß der realistische, meist höhere Zeitwert angesetzt werden. Die Bildung von Rückstellungen ist stark eingeschränkt und für Eventualverbindlichkeiten im Regelfall ausgeschlossen. Insgesamt zeichnen die US-amerikanischen Bilanzen damit ein realistischeres Bild des tatsächlich erzielten operativen Jahresgewinns.

Große Relevanz besitzen diese Unterschiede insbesondere bei der Aktivierung des Firmenwerts (Goodwill). Ein solcher entsteht im Rahmen einer Akquisition, wenn der gezahlte Kaufpreis das bilanzielle Eigenkapital des übernommenen Unternehmens übersteigt. Bisher war der derivative Firmenwert bei den immateriellen Vermögenswerten zu aktivieren und nach bisher einhelliger Meinung als Vermögensgegenstand mit begrenzter Nutzungsdauer planmäßig und gewinnmindernd abzuschreiben. Die US-amerikanische Regulierungsbehörde für Rechnungslegungsfragen (FASB) hat jedoch jüngst eine spektakuläre Abkehr von diesen Grundsätzen vollzogen. Danach müssen die Unternehmen den Firmenwert künftig so lange unverändert aktivieren, bis eine Werthaltigkeitsprüfung von öffentlicher Seite einen Wertverlust erkennen läßt. Außerdem sollen planmäßige Abschreibungen nur noch in Ausnahmefällen durch außerplanmäßige ersetzt werden.

Für eine Reihe von New Economy-Unternehmen sind diese Änderungen von fundamentaler Bedeutung. Durch Börsengänge und nachfolgende Kapitalerhöhungen verfügten diese Unternehmen lange Zeit über genügend liquide Mittel für eine Politik des „Wachstums durch Zukauf“. Erweisen sich diese Akquisitionen im nachhinein als Fehlinvestition, so müssen die Unternehmen ihren „Goodwill“ - möglicherweise auf einen Schlag - gewinnmindernd auflösen. Erfolgt die Bilanzierung nach den US-GAAP, lassen sich zudem nur schwer stille Reserven finden, die eine bereits eingetretene oder drohende Überschuldung im Vermögensstatus beseitigen könnten.

Insgesamt zeigt sich damit, daß die jeweils zugrundeliegenden Bilanzierungsregeln einerseits von großer Bedeutung für die einzuleitenden Sanierungsmaßnahmen sind. Andererseits stellen die Bilanzierungsregeln selbst - im gesetzlich zulässigen Rahmen - ein taugliches Sanierungs- und Steuerungsinstrument in der Unternehmenskrise dar.

Sanierungsansätze in der New Economy

Die nicht selten völlig unkoordinierten und unkontrollierten Wachstumsstrategien in der New Economy bedingen in relativ kurzer Zeit einen außerordentlich hohen Verzehr an liquiden Mitteln. Anfangs konnten die notwendigen Finanzmittel durch die Ausgabe neuer Aktien aufgebracht werden. Mittlerweile haben sinkende Aktienkurse, die allgemeine Börsenflaute und das zunehmende Mißtrauen potentieller Anleger gegenüber den vielfach übertriebenen Umsatzerwartungen von New Economy-Unternehmen diese Quelle weitgehend versiegen lassen. Schnell wurde daraus eine „Spirale des Todes“, weil nicht oder zu spät erkannt wurde, daß der immense Liquiditätsbedarf nicht mehr durch die Ausgabe neuer Aktien gedeckt werden konnte.

Mit herkömmlichen Sanierungskonzepten können diese Probleme nur schwer gelöst werden: Den Gründungsgesellschaftern ist die Einbringung von Eigenkapital in den meisten Fällen nicht mehr möglich. Banken winken unter Hinweis auf die „allgemeinen und speziellen Risiken“ der New Economy dankend ab oder knüpfen die Liquiditätsgewährung an entsprechende Sicherheiten. Hierzu mangelt es aber vielfach an tauglichen Beleihungsobjekten.

Ein klassisches „Cost Cutting“ stellt in der New Economy häufig einen vergeblichen Wettlauf gegen die Zeit dar, denn geringe Umsatzerwartungen auf der einen Seite stehen nicht selten überproportionalen Kosten auf der anderen Seite gegenüber. Wegen der im allgemeinen geringen Fremdkapitalisierung von New Economy-Unternehmen scheiden Gläubigerverzichte oder Rangrücktritte als Sanierungsinstrument in den meisten Fällen ebenfalls aus.

Aussichtsreicher erscheint die Sanierung über einen starken Partner oder Übernehmer des Gesamtunternehmens. Hierbei kann es sich um einen strategischen Investor, einen Venture Capital-Geber oder auch um einen Wettbewerber handeln.

Ansatzpunkte für eine solche Sanierung sind die werthaltigen immateriellen Vermögensgegenstände und die stillen, nicht aktivierungsfähigen Reserven des Unternehmens - beispielsweise die Domainnamen und Markenrechte, der Kundenstamm und das Wissen in den Köpfen der Mitarbeiter. Gelingt es dem New Economy-Unternehmen in der Krise, seine Produkte und sein Personal zu halten, so kann es für potentielle Investoren eine hohe Attraktivität besitzen.

Die Kapitalzuführung in das New Economy-Unternehmen kann dabei auf drei Arten erfolgen:

  • Kapitalzuführung in den bestehenden Rechtsträger: Diese Variante hat den Vorteil, daß die Gründungsgesellschafter und die Mitarbeiter über die von ihnen gehaltenen Anteile motiviert bleiben. Soweit es die Publizitätspflichten von börsennotierten Aktiengesellschaften erlauben, kann die Kapitalzuführung außerdem hinter verschlossenen Türen erfolgen. Unruhe im Umfeld des Unternehmens wird somit weitgehend vermieden. Problematisch ist bei dieser Variante einerseits, daß ein Teil des neuen Geldes zur Ablösung von Altverbindlichkeiten genutzt werden muß. Andererseits können die potentiellen Beteiligungspartner in der bisherigen Gesellschaft schlummernde Risiken selbst bei einer noch so sorgfältigen Prüfung nicht gänzlich ausschließen. Durch diese beiden Nachteile wird die Investorensuche nicht gerade erleichtert.
  • Kapitalzuführung in einen neuen Rechtsträger: Hierbei erfolgt eine Übertragung des bisherigen operativen Geschäfts auf eine neue Rechtspersönlichkeit. Zwar ist hierdurch eine endgültige Trennung von den Altlasten des Unternehmens möglich. Gleichzeitig wird aber das Altunternehmen in aller Regel dem Insolvenzverfahren preisgegeben. Gründer, Mitarbeiter und Altaktionäre verlieren ihre Anteile. Vorhandene Verlustvorträge sind steuerlich nicht mehr nutzbar.
  • Fusion mit oder Verschmelzung auf einen anderen Rechtsträger: Das übernehmende Unternehmen kann Marktanteile, Markennamen und Image eines übernommenen Unternehmens vergleichsweise günstig erwerben. Diese Variante ist außerdem steuerlich ausgesprochen interessant und läßt operative Synergien kurzfristig nutzbar werden. Problematisch ist, daß ein Restrisiko durch etwaige Altlasten für den Erwerber erhalten bleibt und die in ihrer Stellung degradierten Gründer nicht besonders motiviert werden. Letzteres läßt sich unter Umständen dadurch umgehen, daß ihnen seitens des Übernehmers oder des beherrschenden Fusionspartners eine zweite Chance gegeben wird.

Vorteilhaft an einer solchen Investorenlösung ist für den neuen Investor, daß dieser das Unternehmen relativ preiswert übernehmen kann. Durch die Publizitätspflichten von börsennotierten Unternehmen ist der Öffentlichkeit die Unternehmenskrise nämlich nicht entgangen. Der Finanzmarkt hat entsprechend reagiert, und die Kurse sind gefallen. Zum Nachteil der bisherigen Investoren wirkt sich aus, daß im Rahmen der bilanziellen Bereinigung üblicherweise ein Kapitalschnitt vollzogen wird. Dieser ist nicht selten mit erheblichen Verlusten für die derzeitigen Aktionäre verbunden.

Scheitert eine solche außergerichtliche Sanierung, bietet der Gesetzgeber über die Insolvenzordnung weitere, durchaus erwägenswerte Alternativen.

Insolvenzordnung als Chance für New Economy-Unternehmen

Mittelständlern in der Old Economy kann nach wie vor nur schwer klargemacht werden, daß mit der Stellung eines Insolvenzantrags nicht zwingend das Ende des Unternehmens eingeleitet wird. Sowohl das Stigma des Konkurses als auch die persönliche Bindung an „ihr“ Unternehmen verhindern den manchmal sinnvollen Gang zum Insolvenzgericht und damit einen möglicherweise vielversprechenden Neuanfang für das notleidende Unternehmen. In der New Economy fällt diese Überzeugungsarbeit im allgemeinen leichter, denn Vorstände und Geschäftsführer sehen ihr persönliches Schicksal vielfach nicht zwingend mit der Existenz des Unternehmens verknüpft.

Mit dem Inkrafttreten der Insolvenzordnung am 1. Januar 1999 sind zum einen die vorherigen Konkurs-, Vergleichs- und Gesamtvollstreckungsordnungen in ein einheitliches Regelwerk überführt worden. Zum anderen wurde der Begriff „Konkurs“ aus dem gesetzlichen Vokabular gestrichen. Primäres Ziel des Insolvenzverfahrens ist es, die Gläubiger durch die Verwertung des Schuldnervermögens und die Verteilung der entsprechenden Erlöse gemeinschaftlich zu befriedigen.

Dabei stehen zwei Verfahrensalternativen zur Wahl, die für New Economy-Unternehmen beide in Betracht kommen und in Abbildung 1 dargestellt sind:

  • Beim Regelinsolvenzverfahren wird das Schuldnervermögen im Rahmen einer Gesamtvollstreckung entsprechend den gesetzlichen Vorschriften verwertet. Die Befriedigung der Gläubiger erfolgt aus den Verkaufserlösen.
  • Beim Planverfahren entscheiden die Gläubiger autonom über die genaue Verfahrensgestaltung. Neben einer Liquidation ist auch eine übertragene Sanierung oder eine Sanierung des Unternehmensträgers möglich. Die Befriedigung kann entweder aus den laufenden Überschüssen oder aus den Verkaufserlösen erfolgen.

Abbildung 1: Alternative Verfahren der Gläubigerbefriedigung

Voraussetzung für beide Verfahrensalternativen ist das Vorliegen eines Insolvenzgrundes. Neben den bisherigen Insolvenztatbeständen „Überschuldung“ und „Zahlungsunfähigkeit“ wurde in die neue Insolvenzordnung zusätzlich der Insolvenztatbestand der „drohenden Zahlungsunfähigkeit“ aufgenommen. Zur Feststellung der Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinne kommt eine zweistufige Methode zur Anwendung, die in Abbildung 2 dargestellt ist.

In der ersten Stufe wird geprüft, ob auf der Basis von Liquidationswerten das Vermögen des Unternehmens die Schulden deckt. Ist dies der Fall, liegt keine insolvenzrechtliche Überschuldung vor. Andernfalls wird in der zweiten Stufe geprüft, ob das Unternehmen über eine positive Fortführungsprognose verfügt. Ist diese nicht gegeben, liegt eine Überschuldung und damit eine Insolvenzantragspflicht vor. Bei einer positiven Fortführungsprognose wird demgegenüber - nunmehr basierend auf Fortführungswerten - ein neuer Vermögensstatus aufgestellt. Deckt dabei das Vermögen die Schulden des Unternehmens, besteht keine Insolvenzantragspflicht. Überwiegen die Schulden indes über das Vermögen, ist eine insolvenzrechtliche Überschuldung mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen zu bejahen.

Abbildung 2: Zweistufige Überschuldungsprüfung

Obwohl das Planverfahren eines der Kernstücke des neuen Insolvenzrechts ist, fristet es derzeit noch ein Schattendasein. Dieses dürfte an dem recht aufwendigen, zum Teil umständlichen und vor allem zeitraubenden Verfahren liegen. Zur Planerstellung selbst sind lediglich der Schuldner, der Insolvenzverwalter sowie - mittelbar durch dessen Beauftragung - auch die Gläubigerversammlung berechtigt. Der Plan muß einen Vorschlag enthalten, auf welche Weise und mit welchen Quoten die Gläubiger des Unternehmens befriedigt werden sollen. Die nach der alten Vergleichsordnung noch vorgeschriebene Mindestquote von 35 Prozent ist entfallen.

Im Rahmen des Planverfahrens müssen Gläubigergruppen gebildet werden. Über deren Zusammensetzung kann der Planersteller - von einigen Pflichtgruppen abgesehen - frei entscheiden. Mit gewissem Geschick und taktischem Kalkül ist hierdurch die bei Abstimmungen erforderliche Gruppenmehrheit nach Köpfen oder Summen in Grenzen steuerbar. Grundsätzlich müssen sämtliche Gläubigergruppen dem Sanierungsplan zustimmen. Hierbei sind zwei gesetzliche Regelungen zu beachten:

  • Im Rahmen des Obstruktionsverbotes (§ 245 InsO) gilt die Zustimmung einer ablehnenden Gläubigergruppe als erteilt, wenn diese durch den Insolvenzplan voraussichtlich nicht schlechter gestellt wird, als sie ohne Plan stünde. Außerdem müssen die Gläubiger dieser Gruppe am wirtschaftlichen Wert der Verteilungsmasse angemessen beteiligt werden und die Mehrheit der abstimmenden Gläubigergruppen dem Plan insgesamt zustimmen.
  • Ein opponierender Einzelgläubiger ist durch den Minderheitenschutz (§ 251 InsO) besonders geschützt. Auf seinen Antrag hin hat ein Gericht die Bestätigung des Plans zu versagen, wenn dieser Gläubiger durch den Plan voraussichtlich schlechter gestellt würde, als er ohne diesen stünde.

Beide gesetzlichen Regelungen führen in der Praxis oft zu sanierungshemmenden Verzögerungen. Die Beurteilung einer voraussichtlichen Besser- oder Schlechterstellung durch den Insolvenzplan hat ein hohes prognostisches Element und beruht nicht zuletzt auf hypothetischen Erwägungen. Sinnvoll ist daher eine frühzeitige Einigung zwischen den Beteiligten. Andernfalls könnte eine zeitraubende „Gutachterschlacht“ die mißliche Folge sein.

Mit der Bestätigung des Insolvenzplans wird das Schuldnerunternehmen - vorbehaltlich einer Wiederauflebensklausel im Falle der Nichterfüllung - von seinen restlichen Verbindlichkeiten befreit. Dieses gilt auch für die persönlich haftenden Gesellschafter. Letztere sind allerdings in der New Economy kaum anzutreffen, denn Firmierungen als Einzelkaufleute oder Personenhandelsgesellschaften bleiben dort eher die Ausnahme.

Einerseits ist das Insolvenzplanverfahren ein sehr bürokratisches Verfahren. Dieses dürfte auch der Hauptgrund dafür sein, daß es in der Unternehmenspraxis erst relativ wenige bestätigte Pläne gibt und die übertragende Sanierung nach wie vor dominiert. Andererseits kann ein Insolvenzplan gerade bei New Economy-Unternehmen durchaus Sinn machen. Häufig ist es zweckmäßig, die Gründer als Know-how- und Ideenträger in eine Fortführungslösung einzubinden. Selbst ein Erwerb der Vermögenswerte (Assets) aus dem insolventen Unternehmen im Rahmen einer übertragenen Sanierung dürfte häufig an fehlenden finanziellen Mitteln scheitern. Ein Insolvenzplan bietet insoweit Chance und Anreiz zugleich, sich auf einen Schlag eines Teils der Verbindlichkeiten zu entledigen und zudem lästige Dauerschuldverhältnisse zu beenden. Darüber hinaus kann auch eine Entlassung aus persönlichen Bürgschaften bei entsprechenden Gegenleistungen im Rahmen des Insolvenzplans vereinbart werden. Hierdurch werden Motivation und Mut für einen Neustart geschaffen.

In der stark publikumsorientierten New Economy sind die „Maßnahmen der ersten Stunden“ häufig entscheidend für den Erfolg einer Unternehmenssanierung. Das innovative, schnellebige Geschäft der New Economy verzeiht keinen längeren Stillstand und verlangt nach raschen Lösungen. Die Insolvenzordnung hält hierfür zwei besonders geeignete Instrumente bereit:

  • „Prepacked Plan“: Aufgrund des neu eingeführten Insolvenztatbestands der „drohenden Zahlungsunfähigkeit“ kann bereits im Vorfeld einer Insolvenz über die Gestaltung des späteren Insolvenzverfahrens entschieden werden. Diese Situation ist in Abbildung 3 dargestellt. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind zwar noch genügend liquide Mittel im Unternehmen vorhanden. Der prognostizierte Werteverzehr im Zeitablauf läßt aber erkennen, daß ohne weitere Finanzmittel die baldige Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens absehbar ist. Bereits zu diesem frühen Zeitpunkt sollte ein Insolvenzplan erstellt und mit den maßgeblichen Gläubigern bzw. Gläubigergruppen vorbesprochen werden. Dieser „Prepacked Plan“ wird anschließend - zusammen mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens - beim Gericht eingereicht. Hierdurch kann sich der Schuldner bereits im Vorfeld die spätere Zustimmung seiner Gläubiger im Insolvenzverfahren sichern. Gleichzeitig wird den negativen Wirkungen eines Insolvenzantrags in der Öffentlichkeit entgegengewirkt, da schon mit dem Insolvenzantrag eine Sanierungs- und Fortführungslösung präsentiert wird.
  • Eigenverwaltung: Unter Aufsicht eines Sachwalters kann der Schuldner auf Antrag selbst die Insolvenzmasse verwalten und verwerten - also sein eigener Insolvenzverwalter sein. Diese Möglichkeit der Eigenverwaltung wird häufig als gesetzlich verfehlt angesehen, da dem unternehmerisch gescheiterten Schuldner vermutlich auch im Insolvenzverfahren keine rettende Idee kommen wird. Gleichwohl kann ein solches Vorgehen insbesondere dann von Vorteil sein, wenn in der jeweiligen Branche das spezielle Know-how des bisherigen Managements erforderlich ist. Sollte der Schuldner durch Vertrauensverlust oder Inkompetenz „verbrannt“ sein, kann außerdem vor Beantragung der Eigenverwaltung das alte Management durch ein neues, unverbrauchtes ersetzt werden. In diesem Fall bietet es sich an, daß die Gesellschaftsanteile für die Dauer des Verfahrens treuhänderisch von dritter Seite gehalten werden. Die Vorteile der Eigenverwaltung sind damit in Gestalt einer rascheren und masseschonenderen Abwicklung weiterhin nutzbar.

Abbildung 3: Konzept der drohenden Zahlungsunfähigkeit

Insgesamt stellen der Prepacked Plan und die Eigenverwaltung bei entsprechender Vorbereitung und Umsetzung somit durchaus sinnvolle Alternativen zur immer noch in der Unternehmenspraxis vorherrschenden übertragenden Sanierung dar.

Ausblick

Die in der Überschrift dieses Beitrags gestellte Frage „Down by law?“ kann - bezogen auf die neue Insolvenzordnung - verneint werden. Aussichtsreiche Sanierungsbemühungen in der New Economy werden durch das Insolvenzrecht vielleicht nicht in allen Fällen gefördert, keinesfalls aber bewußt behindert oder gar verhindert. Voraussetzungen für den Erfolg einer Sanierung bleiben aber zum einen eine tragfähige Geschäftsidee und ein am Markt plazierbares Produkt. Zum anderen müssen im Rahmen der Restrukturierungs- und Sanierungsmaßnahmen die gesellschaftsrechtlichen und bilanziellen Besonderheiten der New Economy beachtet werden.

Obwohl die Insolvenzordnung erfolgversprechende Ansätze und Möglichkeiten für Unternehmenssanierungen bietet, die zum Teil noch gar nicht ausgeschöpft sind, wird auch das neue Recht nichts daran ändern können, daß Unternehmenskrisen nicht immer mit der Sanierung oder Restrukturierung, also mit dem weitgehenden Erhalt des Unternehmens, bewältigt werden können.

Quelle

Dieser Beitrag wurde - mit freundlicher Genehmigung der F.A.Z.-Institut für Management-, Markt- und Medieninformationen GmbH - dem folgenden Sammelband entnommen:

Frank Roselieb (Hrsg.),
Die Krise managen - 5 wertsteigernde
Strategien für die Internetwirtschaft,
Frankfurter Allgemeine Buch,
Frankfurt am Main, 2002,
248 Seiten, EUR 25.90,
ISBN 3-934191-71-1Die Krise der Internetwirtschaft managen

Autoren

Dr. Utz Brömmekamp
Buchalik Brömmekamp Unternehmensberatung GmbH
Prinzenallee 15
D-40549 Düsseldorf
Telefon: +49 (0)211 82 89 77 - 0
Telefax: +49 (0)211 82 89 77 - 111
Internet: www.buchalik-broemmekamp.de
E-Mail: unternehmensberatung@buchalik-broemmekamp.de

   

Oliver Oechsle
Buchalik Brömmekamp Unternehmensberatung GmbH
Prinzenallee 15
D-40549 Düsseldorf
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Erstveröffentlichung im Krisennavigator (ISSN 1619-2389):
5. Jahrgang (2002), Ausgabe 6 (Juni)


Vervielfältigung und Verbreitung - auch auszugsweise - nur mit ausdrücklicher
schriftlicher Genehmigung des Krisennavigator - Institut für Krisenforschung, Kiel.
© Krisennavigator 1998-2024. Alle Rechte vorbehalten. ISSN 1619-2389.
Internet:
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Überblick

Herkömmliche Sanierungskonzepte können in der New Economy nur selten zum Einsatz kommen, da den Gründungsgesellschaftern die Einbringung von weiterem Eigenkapital meistens nicht möglich ist, Banken unter Hinweis auf die besonderen Risiken der New Economy eine weitere Liquiditätsgewährung ablehnen und Gläubigerverzichte oder Rangrücktritte wegen des geringen Fremdkapitalanteils ebenfalls in den meisten Fällen ausscheiden.

Aussichtsreicher erscheint daher eine Sanierung über einen strategischen Investor. Dieser kann beispielsweise ein Venture Capital-Geber, aber auch ein Wettbewerber sein. Besondere Attraktivität für den potentiellen Investor bieten dabei die werthaltigen, immateriellen Vermögensgegenstände und die stillen, nicht aktivierungsfähigen Reserven des Unternehmens - beispielsweise die Domainnamen und Markenrechte, der Kundenstamm und das Wissen in den Köpfen der Mitarbeiter.

Scheitert eine solche außergerichtliche Sanierung, hält die Insolvenzordnung weitere, durchaus erwägenswerte Alternativen bereit. Aufgrund des neu eingeführten Insolvenztatbestands der „drohenden Zahlungsunfähigkeit“ kann bereits im Vorfeld einer Insolvenz mittels eines sogenannten „Prepacked Plan“ über die Gestaltung des späteren Insolvenzverfahrens entschieden werden. Hierdurch ist es dem Schuldner einerseits möglich, sich die Zustimmung seiner Gläubiger bereits im vorhinein zu sichern und andererseits mit dem Insolvenzantrag auch eine Sanierungs- und Fortführungslösung zu präsentieren.

Gesellschaftsrechtliche und bilanzielle Besonderheiten
von New Economy-Unternehmen

Die juristischen Gestaltungsmöglichkeiten bei der Bewältigung von Unternehmenskrisen sind vielfältig und facettenreich. Dieses gilt insbesondere in der New Economy, denn die Unternehmen der Neuen Wirtschaft unterscheiden sich zum Teil deutlich von den Firmen in traditionellen Branchen. In gesellschaftsrechtlicher Hinsicht können drei wesentliche Unterschiede festgestellt werden:

Auch die Bilanzstruktur von Unternehmen der Neuen Wirtschaft unterscheidet sich deutlich von der in traditionellen Branchen.

Bedeutung unterschiedlicher Bilanzierungsregeln in der New Economy

Für die Einleitung von Sanierungsmaßnahmen ist es von nicht unwesentlicher Bedeutung, nach welchen Bilanzierungsregeln die Jahresabschlüsse des Unternehmens aufgestellt werden:

Von den Vorschriften der US-GAAP sind zwar primär Konzernabschlüsse betroffen. Dennoch gibt es im Zuge der zunehmenden Globalisierung der Märkte Bestrebungen, die US-amerikanischen Bilanzierungsgrundsätze auch auf die Einzelabschlüsse deutscher Unternehmen anzuwenden.

Während das deutsche Bilanzrecht dem „Vorsichtsprinzip“ unterliegt, sind US-amerikanische Jahresabschlüsse vor allem dem „Shareholder-Value“ verpflichtet. Die Bewertungsvorschriften und Aktivierungsansätze beider Bilanzierungsregeln unterscheiden sich daher zum Teil deutlich voneinander. So führen die US-GAAP im allgemeinen zu einem höherem Eigenkapital, geringeren stillen Reserven und einem höheren Gewinnausweis. Abschreibungen werden entsprechend der tatsächlichen Nutzungsdauer auf längere Zeiträume erstreckt. Im Anlage- und Umlaufvermögen muß der realistische, meist höhere Zeitwert angesetzt werden. Die Bildung von Rückstellungen ist stark eingeschränkt und für Eventualverbindlichkeiten im Regelfall ausgeschlossen. Insgesamt zeichnen die US-amerikanischen Bilanzen damit ein realistischeres Bild des tatsächlich erzielten operativen Jahresgewinns.

Große Relevanz besitzen diese Unterschiede insbesondere bei der Aktivierung des Firmenwerts (Goodwill). Ein solcher entsteht im Rahmen einer Akquisition, wenn der gezahlte Kaufpreis das bilanzielle Eigenkapital des übernommenen Unternehmens übersteigt. Bisher war der derivative Firmenwert bei den immateriellen Vermögenswerten zu aktivieren und nach bisher einhelliger Meinung als Vermögensgegenstand mit begrenzter Nutzungsdauer planmäßig und gewinnmindernd abzuschreiben. Die US-amerikanische Regulierungsbehörde für Rechnungslegungsfragen (FASB) hat jedoch jüngst eine spektakuläre Abkehr von diesen Grundsätzen vollzogen. Danach müssen die Unternehmen den Firmenwert künftig so lange unverändert aktivieren, bis eine Werthaltigkeitsprüfung von öffentlicher Seite einen Wertverlust erkennen läßt. Außerdem sollen planmäßige Abschreibungen nur noch in Ausnahmefällen durch außerplanmäßige ersetzt werden.

Für eine Reihe von New Economy-Unternehmen sind diese Änderungen von fundamentaler Bedeutung. Durch Börsengänge und nachfolgende Kapitalerhöhungen verfügten diese Unternehmen lange Zeit über genügend liquide Mittel für eine Politik des „Wachstums durch Zukauf“. Erweisen sich diese Akquisitionen im nachhinein als Fehlinvestition, so müssen die Unternehmen ihren „Goodwill“ - möglicherweise auf einen Schlag - gewinnmindernd auflösen. Erfolgt die Bilanzierung nach den US-GAAP, lassen sich zudem nur schwer stille Reserven finden, die eine bereits eingetretene oder drohende Überschuldung im Vermögensstatus beseitigen könnten.

Insgesamt zeigt sich damit, daß die jeweils zugrundeliegenden Bilanzierungsregeln einerseits von großer Bedeutung für die einzuleitenden Sanierungsmaßnahmen sind. Andererseits stellen die Bilanzierungsregeln selbst - im gesetzlich zulässigen Rahmen - ein taugliches Sanierungs- und Steuerungsinstrument in der Unternehmenskrise dar.

Sanierungsansätze in der New Economy

Die nicht selten völlig unkoordinierten und unkontrollierten Wachstumsstrategien in der New Economy bedingen in relativ kurzer Zeit einen außerordentlich hohen Verzehr an liquiden Mitteln. Anfangs konnten die notwendigen Finanzmittel durch die Ausgabe neuer Aktien aufgebracht werden. Mittlerweile haben sinkende Aktienkurse, die allgemeine Börsenflaute und das zunehmende Mißtrauen potentieller Anleger gegenüber den vielfach übertriebenen Umsatzerwartungen von New Economy-Unternehmen diese Quelle weitgehend versiegen lassen. Schnell wurde daraus eine „Spirale des Todes“, weil nicht oder zu spät erkannt wurde, daß der immense Liquiditätsbedarf nicht mehr durch die Ausgabe neuer Aktien gedeckt werden konnte.

Mit herkömmlichen Sanierungskonzepten können diese Probleme nur schwer gelöst werden: Den Gründungsgesellschaftern ist die Einbringung von Eigenkapital in den meisten Fällen nicht mehr möglich. Banken winken unter Hinweis auf die „allgemeinen und speziellen Risiken“ der New Economy dankend ab oder knüpfen die Liquiditätsgewährung an entsprechende Sicherheiten. Hierzu mangelt es aber vielfach an tauglichen Beleihungsobjekten.

Ein klassisches „Cost Cutting“ stellt in der New Economy häufig einen vergeblichen Wettlauf gegen die Zeit dar, denn geringe Umsatzerwartungen auf der einen Seite stehen nicht selten überproportionalen Kosten auf der anderen Seite gegenüber. Wegen der im allgemeinen geringen Fremdkapitalisierung von New Economy-Unternehmen scheiden Gläubigerverzichte oder Rangrücktritte als Sanierungsinstrument in den meisten Fällen ebenfalls aus.

Aussichtsreicher erscheint die Sanierung über einen starken Partner oder Übernehmer des Gesamtunternehmens. Hierbei kann es sich um einen strategischen Investor, einen Venture Capital-Geber oder auch um einen Wettbewerber handeln.

Ansatzpunkte für eine solche Sanierung sind die werthaltigen immateriellen Vermögensgegenstände und die stillen, nicht aktivierungsfähigen Reserven des Unternehmens - beispielsweise die Domainnamen und Markenrechte, der Kundenstamm und das Wissen in den Köpfen der Mitarbeiter. Gelingt es dem New Economy-Unternehmen in der Krise, seine Produkte und sein Personal zu halten, so kann es für potentielle Investoren eine hohe Attraktivität besitzen.

Die Kapitalzuführung in das New Economy-Unternehmen kann dabei auf drei Arten erfolgen:

Vorteilhaft an einer solchen Investorenlösung ist für den neuen Investor, daß dieser das Unternehmen relativ preiswert übernehmen kann. Durch die Publizitätspflichten von börsennotierten Unternehmen ist der Öffentlichkeit die Unternehmenskrise nämlich nicht entgangen. Der Finanzmarkt hat entsprechend reagiert, und die Kurse sind gefallen. Zum Nachteil der bisherigen Investoren wirkt sich aus, daß im Rahmen der bilanziellen Bereinigung üblicherweise ein Kapitalschnitt vollzogen wird. Dieser ist nicht selten mit erheblichen Verlusten für die derzeitigen Aktionäre verbunden.

Scheitert eine solche außergerichtliche Sanierung, bietet der Gesetzgeber über die Insolvenzordnung weitere, durchaus erwägenswerte Alternativen.

Insolvenzordnung als Chance für New Economy-Unternehmen

Mittelständlern in der Old Economy kann nach wie vor nur schwer klargemacht werden, daß mit der Stellung eines Insolvenzantrags nicht zwingend das Ende des Unternehmens eingeleitet wird. Sowohl das Stigma des Konkurses als auch die persönliche Bindung an „ihr“ Unternehmen verhindern den manchmal sinnvollen Gang zum Insolvenzgericht und damit einen möglicherweise vielversprechenden Neuanfang für das notleidende Unternehmen. In der New Economy fällt diese Überzeugungsarbeit im allgemeinen leichter, denn Vorstände und Geschäftsführer sehen ihr persönliches Schicksal vielfach nicht zwingend mit der Existenz des Unternehmens verknüpft.

Mit dem Inkrafttreten der Insolvenzordnung am 1. Januar 1999 sind zum einen die vorherigen Konkurs-, Vergleichs- und Gesamtvollstreckungsordnungen in ein einheitliches Regelwerk überführt worden. Zum anderen wurde der Begriff „Konkurs“ aus dem gesetzlichen Vokabular gestrichen. Primäres Ziel des Insolvenzverfahrens ist es, die Gläubiger durch die Verwertung des Schuldnervermögens und die Verteilung der entsprechenden Erlöse gemeinschaftlich zu befriedigen.

Dabei stehen zwei Verfahrensalternativen zur Wahl, die für New Economy-Unternehmen beide in Betracht kommen und in Abbildung 1 dargestellt sind:

Abbildung 1: Alternative Verfahren der Gläubigerbefriedigung

Voraussetzung für beide Verfahrensalternativen ist das Vorliegen eines Insolvenzgrundes. Neben den bisherigen Insolvenztatbeständen „Überschuldung“ und „Zahlungsunfähigkeit“ wurde in die neue Insolvenzordnung zusätzlich der Insolvenztatbestand der „drohenden Zahlungsunfähigkeit“ aufgenommen. Zur Feststellung der Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinne kommt eine zweistufige Methode zur Anwendung, die in Abbildung 2 dargestellt ist.

In der ersten Stufe wird geprüft, ob auf der Basis von Liquidationswerten das Vermögen des Unternehmens die Schulden deckt. Ist dies der Fall, liegt keine insolvenzrechtliche Überschuldung vor. Andernfalls wird in der zweiten Stufe geprüft, ob das Unternehmen über eine positive Fortführungsprognose verfügt. Ist diese nicht gegeben, liegt eine Überschuldung und damit eine Insolvenzantragspflicht vor. Bei einer positiven Fortführungsprognose wird demgegenüber - nunmehr basierend auf Fortführungswerten - ein neuer Vermögensstatus aufgestellt. Deckt dabei das Vermögen die Schulden des Unternehmens, besteht keine Insolvenzantragspflicht. Überwiegen die Schulden indes über das Vermögen, ist eine insolvenzrechtliche Überschuldung mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen zu bejahen.

Abbildung 2: Zweistufige Überschuldungsprüfung

Obwohl das Planverfahren eines der Kernstücke des neuen Insolvenzrechts ist, fristet es derzeit noch ein Schattendasein. Dieses dürfte an dem recht aufwendigen, zum Teil umständlichen und vor allem zeitraubenden Verfahren liegen. Zur Planerstellung selbst sind lediglich der Schuldner, der Insolvenzverwalter sowie - mittelbar durch dessen Beauftragung - auch die Gläubigerversammlung berechtigt. Der Plan muß einen Vorschlag enthalten, auf welche Weise und mit welchen Quoten die Gläubiger des Unternehmens befriedigt werden sollen. Die nach der alten Vergleichsordnung noch vorgeschriebene Mindestquote von 35 Prozent ist entfallen.

Im Rahmen des Planverfahrens müssen Gläubigergruppen gebildet werden. Über deren Zusammensetzung kann der Planersteller - von einigen Pflichtgruppen abgesehen - frei entscheiden. Mit gewissem Geschick und taktischem Kalkül ist hierdurch die bei Abstimmungen erforderliche Gruppenmehrheit nach Köpfen oder Summen in Grenzen steuerbar. Grundsätzlich müssen sämtliche Gläubigergruppen dem Sanierungsplan zustimmen. Hierbei sind zwei gesetzliche Regelungen zu beachten:

Beide gesetzlichen Regelungen führen in der Praxis oft zu sanierungshemmenden Verzögerungen. Die Beurteilung einer voraussichtlichen Besser- oder Schlechterstellung durch den Insolvenzplan hat ein hohes prognostisches Element und beruht nicht zuletzt auf hypothetischen Erwägungen. Sinnvoll ist daher eine frühzeitige Einigung zwischen den Beteiligten. Andernfalls könnte eine zeitraubende „Gutachterschlacht“ die mißliche Folge sein.

Mit der Bestätigung des Insolvenzplans wird das Schuldnerunternehmen - vorbehaltlich einer Wiederauflebensklausel im Falle der Nichterfüllung - von seinen restlichen Verbindlichkeiten befreit. Dieses gilt auch für die persönlich haftenden Gesellschafter. Letztere sind allerdings in der New Economy kaum anzutreffen, denn Firmierungen als Einzelkaufleute oder Personenhandelsgesellschaften bleiben dort eher die Ausnahme.

Einerseits ist das Insolvenzplanverfahren ein sehr bürokratisches Verfahren. Dieses dürfte auch der Hauptgrund dafür sein, daß es in der Unternehmenspraxis erst relativ wenige bestätigte Pläne gibt und die übertragende Sanierung nach wie vor dominiert. Andererseits kann ein Insolvenzplan gerade bei New Economy-Unternehmen durchaus Sinn machen. Häufig ist es zweckmäßig, die Gründer als Know-how- und Ideenträger in eine Fortführungslösung einzubinden. Selbst ein Erwerb der Vermögenswerte (Assets) aus dem insolventen Unternehmen im Rahmen einer übertragenen Sanierung dürfte häufig an fehlenden finanziellen Mitteln scheitern. Ein Insolvenzplan bietet insoweit Chance und Anreiz zugleich, sich auf einen Schlag eines Teils der Verbindlichkeiten zu entledigen und zudem lästige Dauerschuldverhältnisse zu beenden. Darüber hinaus kann auch eine Entlassung aus persönlichen Bürgschaften bei entsprechenden Gegenleistungen im Rahmen des Insolvenzplans vereinbart werden. Hierdurch werden Motivation und Mut für einen Neustart geschaffen.

In der stark publikumsorientierten New Economy sind die „Maßnahmen der ersten Stunden“ häufig entscheidend für den Erfolg einer Unternehmenssanierung. Das innovative, schnellebige Geschäft der New Economy verzeiht keinen längeren Stillstand und verlangt nach raschen Lösungen. Die Insolvenzordnung hält hierfür zwei besonders geeignete Instrumente bereit:

Abbildung 3: Konzept der drohenden Zahlungsunfähigkeit

Insgesamt stellen der Prepacked Plan und die Eigenverwaltung bei entsprechender Vorbereitung und Umsetzung somit durchaus sinnvolle Alternativen zur immer noch in der Unternehmenspraxis vorherrschenden übertragenden Sanierung dar.

Ausblick

Die in der Überschrift dieses Beitrags gestellte Frage „Down by law?“ kann - bezogen auf die neue Insolvenzordnung - verneint werden. Aussichtsreiche Sanierungsbemühungen in der New Economy werden durch das Insolvenzrecht vielleicht nicht in allen Fällen gefördert, keinesfalls aber bewußt behindert oder gar verhindert. Voraussetzungen für den Erfolg einer Sanierung bleiben aber zum einen eine tragfähige Geschäftsidee und ein am Markt plazierbares Produkt. Zum anderen müssen im Rahmen der Restrukturierungs- und Sanierungsmaßnahmen die gesellschaftsrechtlichen und bilanziellen Besonderheiten der New Economy beachtet werden.

Obwohl die Insolvenzordnung erfolgversprechende Ansätze und Möglichkeiten für Unternehmenssanierungen bietet, die zum Teil noch gar nicht ausgeschöpft sind, wird auch das neue Recht nichts daran ändern können, daß Unternehmenskrisen nicht immer mit der Sanierung oder Restrukturierung, also mit dem weitgehenden Erhalt des Unternehmens, bewältigt werden können.

Quelle

Dieser Beitrag wurde - mit freundlicher Genehmigung der F.A.Z.-Institut für Management-, Markt- und Medieninformationen GmbH - dem folgenden Sammelband entnommen:

Frank Roselieb (Hrsg.),
Die Krise managen - 5 wertsteigernde
Strategien für die Internetwirtschaft,
Frankfurter Allgemeine Buch,
Frankfurt am Main, 2002,
248 Seiten, EUR 25.90,
ISBN 3-934191-71-1Die Krise der Internetwirtschaft managen

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Erstveröffentlichung im Krisennavigator (ISSN 1619-2389):
5. Jahrgang (2002), Ausgabe 6 (Juni)

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