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Erstveröffentlichung im Krisennavigator (ISSN 1619-2389): Vervielfältigung und Verbreitung - auch auszugsweise - nur mit ausdrücklicher |
von Carsten Knop
Nicolas Berggruen kennenzulernen, ist für viele Menschen ein kurzes Vergnügen. Kaum ist er da, ist er auch schon wieder weg. Zugleich ist Berggruen ein reicher Mann: Sein Vermögen wurde vom Forbes Magazine im Februar 2015 auf 1,5 Milliarden Dollar geschätzt. In Deutschland wurde er mit dem Kauf der insolventen Warenhauskette Karstadt im Juni 2010 bekannt. Der Kauf sollte ein großer Fehler werden, längst hat sich Berggruen vom grauen deutschen Warenhausunternehmen schon wieder verabschiedet.
Die Vorgänge sind Grund genug, den Mann etwas genauer zu betrachten: Der Investor und Sohn des Kunstsammlers Heinz Berggruen hat einen gewinnenden, jugendlichen Charme. Er erfreut sich einer lässigen Weltläufigkeit, die von seinem Reichtum befördert wird. Aber sein Händedruck ist ebenso wenig nachhaltig wie das, was er gerade tut.
Dabei hätte er es so gern umgekehrt. Man spürt, dass er einen Eindruck hinterlassen möchte, der nachhallt. Dafür aber müsste er sich sehr viel stärker auf seine Gesprächspartner konzentrieren, nicht gleichzeitig sein Handy wie auch die sonstige Umgebung im Auge behalten, etwas stärker die Ärmel hochkrempeln – und das nicht nur unter modischen Aspekten. Doch ob man Berggruen nach der Übernahme von Karstadt in seinem Pariser Domizil, dem Hotel „Bristol“, am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos oder im Hotel „Regent“ in Berlin traf: Er begegnet seinem Gesprächspartner unprätentiös, auf einer Welle der Sympathie, die er selbst zu erzeugen und dann eloquent zu nutzen weiß. Aber schon kurz danach fragt man sich: Wohin will dieser Mann? Was treibt ihn wirklich um? Ist es etwa nur sein nächster Termin?
Auch für die Mitarbeiter des Warenhauskonzerns Karstadt, den er mit großen Hoffnungen aus der Insolvenz übernommen hatte, bleibt die Episode unter dem Eigner Berggruen ein Zwischenspiel, das ihnen Rätsel aufgibt: Was wollte dieser Mann von ihnen? Hatte er einen Plan? Oder hatte er nur die Idee, aus der Übernahme von Karstadt später noch eine Fusion mit dem Wettbewerber Kaufhof zu basteln, von der er bis zuletzt nicht wusste, wie dieses Gebilde eigentlich aussehen sollte? Als sich der Konstruktionsbaukasten nicht zusammenfügte, hat er die Bausteine liegen gelassen wie ein kleiner Junge, dem ein Lego-Projekt nicht gelingt. Und nun kann er den Blick wieder aus dem Fenster schweifen lassen, vielleicht die Welt retten oder es jedenfalls versuchen.
Wer noch einmal in die Protokolle der jeweiligen Gespräche schaut, findet seinen Eindruck aus der Erinnerung bestätigt. Die Lektüre mündet in ein deprimierendes Ergebnis, weil es auch eigene Hoffnungen rund um den optimistisch-fröhlich daherkommenden Menschen wie Berggruen naiv erscheinen lässt. Klar wird, dass Berggruen sich mit Karstadt verrannt hat, eindeutig bessere Berater braucht und am Ende doch nur ein Getriebener irgendwelcher Renditeansprüche ist, die er glaubt, erfüllen zu müssen:
Schon im ersten Jahr nach der gefeierten Übernahme von Karstadt werden die Zweifel lauter, die es eigentlich immer gab: Es wird also Zeit für das erste Gespräch nach dem Vollzug der Transaktion. Berggruens Anliegen zu jenem Zeitpunkt ist die Botschaft, dass er Karstadt Zeit und Ruhe geben wolle. Die drei Säulen des Konzerns, also die Luxushäuser, Sporthäuser und die sonstigen Warenhausfilialen, stehen gleichwohl unmittelbar davor, in drei getrennten Einheiten separat aufgestellt zu werden. Mancher Beobachter wird misstrauisch. „Ich weiß, dass die deutsche Öffentlichkeit sehr an Karstadt interessiert ist, und das finde ich auch phantastisch. Ich kann Ihnen versichern, dass alles nach Plan vorangeht. Es macht viel Arbeit, aber, wie gesagt, es läuft genau wie geplant. Wie alle unsere Investments sehen wir auch dieses Engagement langfristig“, sagt er dann.
Und es zeigt sich: Alles war Wunschdenken. Nichts lief wie geplant. Von Langfristigkeit konnte keine Rede sein. Und das mit der Öffentlichkeit findet Berggruen bestimmt schon lange nicht mehr gut. Kurze Zeit später bittet Berggruen wieder zum Gespräch, offensichtlich darum bemüht, zurück in die Offensive zu kommen – vielleicht war es, rückblickend betrachtet, schon das letzte Ass, das er aus dem Ärmel zu ziehen versuchte: Die Metro war am Verkauf von Kaufhof interessiert. Bieter war eben jener René Benko, der Berggruen jetzt mit Karstadt aus der Patsche hilft, was das Gespräch besonders bemerkenswert macht. Damals allerdings ging es Berggruen darum, Kaufhof selbst übernehmen zu wollen.
Einen Plan, dem die Metro und ihre Eigentümer indes nicht folgen wollten, der für die Karstadt-Pläne von Berggruen aber womöglich die letzte Chance war. Karstadt hätte mit den viel besser laufenden Kaufhof-Filialen saniert werden können. „Ist Ihnen nach dem Einstieg bei Karstadt die Lust am Warenhausgeschäft noch nicht vergangen?“, lautet die Einstiegsfrage. Die Antwort, gewiss vor allem an die Eigner von Kaufhof gerichtet: „Nein! Ganz im Gegenteil. Mit Karstadt bin ich sehr zufrieden. … Wir spüren ein ganz neues Selbstbewusstsein und eine tolle Aufbruchsstimmung. Auch die Zusammenarbeit mit den Betriebsräten ist sehr gut. … Es geht darum, dem Einkaufen im Warenhaus die Faszination zurückzugeben. Und die Kunden kommen in unsere Geschäfte. Wir wachsen stärker als der Markt. Unsere Kunden betreten heute Geschäfte, in die wir in den vergangenen zwölf Monaten schon 80 Millionen Euro investiert haben. Ich habe meine Versprechen gehalten.“
Und dann, auf die Frage, ob ihn das Interesse von Benko an Kaufhof nicht überrasche, wird es richtig spannend, und zwar auch mit Blick auf die Zukunft von Karstadt nach dem jetzigen Komplettverkauf an die Signa-Gruppe von Benko: „Das Interesse überrascht mich auch. Und ich frage mich zudem, warum ein Immobilieninvestor wie Signa, dessen Fokus ja nicht die strategische Weiterentwicklung des Warenhauses, sondern vor allem anderen die Mieterträge aus den Immobilien ist, überhaupt interessiert ist. Bei den Preisen, die für Kaufhof und seine Immobilien genannt werden, ist das Ganze für einen Immobilieninvestor und die erreichbaren Mietrenditen gar nicht mehr besonders spannend, es sei denn, die Mieten werden nach Übernahme stark erhöht oder man nutzt die Häuser anders denn als Kaufhof-Warenhäuser.“
Und weiter: „Das operative Warenhausgeschäft ist ein hartes, sehr langfristiges Geschäft mit sehr überschaubaren Erträgen. Natürlich sind die Immobilien für Immobilienentwickler viel interessanter als die sogenannten Operations. Da kann man Erträge schneller steigern, indem man zum Beispiel mit neuen Mietern höhere Mieten abschließt oder Standorte anders nutzt. Das ist ja genau das Geschäftsmodell dieser Immobilienexperten. So wird dort Geld verdient.“
Aber könnte die Transaktion nicht trotzdem auch für einen Immobilieninvestor sinnvoll sein?, fragen meine Kollegin Brigitte Koch und ich nach. Darauf Berggruen: „In Deutschland ist bisher das Gegenteil bewiesen worden: Hertie ist mit einem Immobilieninvestor gescheitert und Karstadt vor allem auch wegen des Immobilieninvestors und der Erhöhung der Mieten zusammengebrochen. In diesen Fällen sind noch nicht einmal die Immobilien wertvoller geworden.“
Die Karstadt-Mitarbeiter können nur hoffen, dass diese Analysen Berggruens so oberflächlich waren wie seine eigenen Pläne für den Warenhauskonzern. Aber: Rechnen kann er eigentlich, der Investor, der nun wieder das Weite sucht und der die Deutschen nicht davon überzeugt hat, ein harter Arbeiter zu sein. Vielleicht wäre die Enttäuschung in einem solchen Fall nicht ganz so groß ausgefallen.
Dieser Beitrag wurde - mit freundlicher Genehmigung des Verlages - der folgenden Publikation auszugsweise entnommen:
Carsten Knop, |
Carsten Knop |
Erstveröffentlichung im Krisennavigator (ISSN 1619-2389):
18. Jahrgang (2015), Ausgabe 10 (Oktober)
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Letzte Aktualisierung: Mittwoch, 9. Oktober 2024
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