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von Ulrich-Nicolaus Kranz
Von der Wirtschaftspresse werden Unternehmen wie Boo.com, Gigabell, Met@box, Portal und Teamwork nicht selten in sogenannten "Sterbelisten" zitiert. Alle diese Unternehmen haben einige Gemeinsamkeiten: Zum einen leiden sie an akuten Liquiditätsproblemen - manche sind bereits insolvent. Zum anderen wird - oder wurde - bei ihnen mit Hochdruck an einer Fortführungslösung gearbeitet.
Diese "Sterbelisten" und ähnliche Negativmeldungen aus der New Economy üben eine Sogwirkung auf das gesamte Segment des Neuen Marktes aus. Mit weiteren Pleiten am Neuen Markt muß daher gerechnet werden. Zudem sind bisher keine Beispiele über einen operativ erfolgreichen Turnaround solcher Unternehmen bekannt geworden. Gleichwohl können davon positive "Mitreißeffekte" für das Marktumfeld erwartet werden.
Unternehmen der New Economy sind im wesentlichen in den Bereichen "Internet", "Biotech", "Informationstechnologie" (IT), "Neue Medien" und "Nanotechnik" tätig. Die Unterscheidung zu Unternehmen der traditionellen Branchen ("Old Economy") wird insbesondere in der Krise sichtbar:
Viele Krisenunternehmen in der New Economy sind zu schnell und fast ausschließlich durch Akquisitionen gewachsen. In den meisten Fällen hätten zumindest die wesentlichen Probleme durch ein regelmäßiges internes Controlling rechtzeitig erkannt und deren Lösung versucht werden können. In der Unternehmenspraxis muß allerdings oft festgestellt werden, daß die häufig in der Rechtsform einer AG an der Börse agierenden Unternehmen - trotz umfangreicher Publizitätspflichten - über ein desolates Rechnungswesen und Controlling verfügen.
Ein professioneller Finanzvorstand, der die Integration der erworbenen und oft nach fremdem Recht bilanzierenden Gesellschaften begleitet, fehlt häufig ganz oder ist hoffnungslos überfordert. Dieses wiegt umso schwerer, da selbst kleinste Fehler vom Kapitalmarkt sofort abgestraft werden und binnen Stunden zu einer Kapitalvernichtung in Milliardenhöhe führen können.
Zum einen ist das Tagesgeschäft von erheblichem Umsatzdruck geprägt. Zum anderen sind die Entscheidungsträger der festen Überzeugung, auf dem richtigen Weg zu sein. Nicht selten verschließen sie sich daher der Notwendigkeit, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Ganz nebenbei laufen auch noch die Kosten aus dem Ruder. Die Geschäftsleitung ist es meist gar nicht gewohnt, auf Kostenmanagement zu achten - schließlich war doch Geld stets in Hülle und Fülle vorhanden. Zudem müssen meist auch die internen Abläufe, der Vertrieb und die Führungsstrukturen neu überdacht werden.
Die Angst der jungen Unternehmen, im Rahmen der Erfüllung ihrer Publizitätspflichten eine "Gewinnwarnung" herausgeben zu müssen, ist immens. Nicht selten wird daher die Schieflage des Unternehmens über die erlaubten Grenzen hinaus verschwiegen oder dementiert. Die Chance zu einem rechtzeitigen Gegensteuern verstreicht somit ungenutzt.
Läßt sich die Insolvenz nicht mehr vermeiden, bedeutet dieses keineswegs das Ende für das angeschlagene New Economy-Unternehmen oder dessen gesamtes Geschäftskonzept. Aufgrund ihrer Struktur können sich gerade diese Unternehmen für eine Fortführung besonders eignen:
Wurde das Geschäftskonzept zusätzlich von einem branchenkundigen Dritten geprüft und in wesentlichen Teilen für plausibel und tragfähig gehalten, so erscheint eine Sanierung und die Gewinnung weiterer Geldmittel - beispielsweise über den Einstieg eines strategischen Partners, über die Altgesellschafter oder sogar über eine Bank - nicht ausgeschlossen.
Ziele der Sanierung sollten sein, den Rechtsträger zu erhalten, die Werthaltigkeit und Handelbarkeit der Aktien weiterhin zu gewährleisten und das Unternehmen für den Einstieg eines Investors oder strategischen Partners sowie für die Gewinnung von "Fresh Money" attraktiver zu machen.
Vielfach vorhandene Verlustvorträge können nur bei Erhalt des Rechtsträgers weiter genutzt werden. Außerdem erhöhen sie die Chance des Einstiegs eines neuen Partners. Aus diesen Gründen scheidet die oft praktizierte sogenannte "übertragene Sanierung" - also der Verkauf der "Assets" des Unternehmens - als Sanierungsmöglichkeit aus, denn hierbei bleibt der Rechtsträger nicht erhalten.
Im Rahmen eines offiziellen Insolvenzverfahrens kann zusätzliche Liquidität bis zu einem Zeitraum von drei Monaten über die Zahlung von Insolvenzausfallgeld durch das Arbeitsamt generiert werden. Die Sanierung wird außerdem über einen sogenannten "Insolvenzplan" ermöglicht, der mit Inkrafttreten der neuen Insolvenzordnung am 1. Januar 1999 geschaffen wurde.
Der Insolvenzplan ersetzt das Vergleichsverfahren, welches ebenfalls einen Fortführungsvergleich ermöglichte. Die Zahl der eröffneten und bestätigten Vergleichsverfahren war allerdings recht gering, da zum einen gesetzliche Mindestquoten erfüllt werden mußten und zum anderen einzelne Gläubiger den Vergleich torpedieren konnten. Demgegenüber hat der Insolvenzplan eher vertraglichen Charakter und kennt keine derartigen Mindestquoten. Außerdem können opponierende Gläubiger durch geschickte Gruppenbildung eliminiert werden.
Wird die Krise rechtzeitig erkannt und reicht die Liquidität aus, so kann auch ein sogenannter "Prepacked Plan" zur Anwendung kommen. Dabei wird die Insolvenz über einen - bei Antragstellung bereits vorliegenden - Insolvenzplan vorbereitet und schon bei drohender Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens eingeleitet. Nur das Unternehmen ist zur Antragstellung berechtigt - aber nicht verpflichtet. Durch die Einführung dieses neuen Insolvenzgrundes werden einerseits die Sanierungschancen erhöht und andererseits das Risiko einer Nichteröffnung des Verfahrens mangels Masse verringert.
Nach wie vor wird eine Insolvenz von vielen Unternehmen immer noch als Makel angesehen. Um negative Auswirkungen auf die Absatz- und Beschaffungsmärkte zu vermeiden, ist daher professionelle und rechtzeitige Kommunikation mit den Anspruchsgruppen unerläßlich.
Banken und Beteiligungsgesellschaften sind häufig nicht bereit, erneut "Fresh Money" in Schlieflageunternehmen zu pumpen, wenn die Sanierungsfähigkeit und Sanierungswürdigkeit des betroffenen Unternehmens nicht von dritter Seite bescheinigt wurde. Zwar ist Unternehmensberatung relativ teuer. Gleichwohl bieten immer mehr Berater ihre Dienstleistungen - statt gegen ein Honorar - gegen Anteile an den beratenden Unternehmen an.
Leider sind viele Insolvenzverwalter häufig noch nicht ausreichend mit den rechtlichen Möglichkeiten der neuen Insolvenzordnung vertraut. Zudem steht der klassische Verwalter - üblicherweise ein Rechtsanwalt - den Produkten der New Economy und den Neuen Medien meistens nicht sonderlich aufgeschlossen gegenüber. Darüber hinaus mangelt es in vielen Fällen auch an praktischer Erfahrung mit diesem neuen Unternehmenstyp.
Der ideale Unternehmensberater oder Insolvenzverwalter bringt daher - neben Erfahrung und Umgang mit den Instrumentarien der neuen Insolvenzordnung - gute Branchenkenntnisse, ein hervorragendes Netzwerk zu geeigneten Interimsmanagern, Investoren und Business Angels mit. Außerdem verfügt er über Kenntnisse des Wertpapierhandels und des Börsengeschehens. Schnellstes Agieren sowie der professionelle Umgang mit den Neuen Medien sind für ihn selbstverständlich.
RA Ulrich-Nicolaus Kranz |
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Erstveröffentlichung im Krisennavigator (ISSN 1619-2389):
4. Jahrgang (2001), Ausgabe 3 (März)
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Letzte Aktualisierung: Montag, 9. September 2024
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