Ein Spin-Off der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
27. Jahrgang (2024) - Ausgabe 10 (Oktober) - ISSN 1619-2389
 

Neue jahresabschlußbasierte Verfahren
der bilanziellen Krisendiagnose

von Prof. Dr. Jens Leker

Überblick

Durch zunehmenden Computereinsatz und die Entwicklung immer neuer statistischer Verfahren, hat sich auch die Bilanzanalyse zur Krisendiagnose erheblich weiterentwickelt. Aus der einfachen Aneinandereihung von Kennzahlen wurden systematisch aufeinander bezogene Kennzahlensysteme. Aus simplen Quotienten einzelner Abschlußpositionen wurden komplexe Meßwerte entwickelt, die - wie der Cash Flow - in unterschiedlichen Varianten unterschiedlichen Meßzielen dienen. Auch Zeit-, Betriebs-, Branchen- und Normvergleiche konnten erheblich ausgebaut und differenziert werden.

Computereinsatz in der Bilanzanalyse

Die Methoden der Bilanzanalyse haben sich durch den Einsatz von Computern und statistischen Methoden revolutioniert. Der Computereinsatz verlangte dabei eine homogenisierte Datenerfassung und reduzierte damit die willkürliche Datenzuordnung. Zugleich wurde damit eine ständige Datenkontrolle ermöglicht. Last not least übernehmen die Computer Archivfunktionen. Dies alles sind noch Leistungen, die eher auf einer ausführenden Ebene liegen. In zunehmendem Maße lassen sich aber durch Computer höherwertige Aufgaben übernehmen: Durch einen ständigen Vergleich von Soll und Ist sind Computer in der Lage, Signale zu geben, die den Analytikern verborgen bleiben. Es wird so möglich, ständig die Einhaltung kritischer Grenzwerte zu überprüfen und ihr Überschreiten unabhängig von menschlichem Einfluß an die zuständige Stelle zu melden. Computer erlauben es, die Datenbestände in unzähligen Vergleichen - Zeitvergleichen, Betriebsvergleichen und Normvergleichen - einzusetzen und damit ein Urteil über eine relative Verbesserung oder Verschlechterung der Lage der Unternehmung abzuleiten. Computer entwerfen Berichte in natürlicher Sprache, die zugleich kontrolliert bleibt. Maschinelle Expertisen engen den semantischen und syntaktischen Manipulationsspielraum der Berichtenden ein. Und last not least: Computer bieten den Dialog mit den besten Experten, wenn die Analyse in Expertensysteme eingebaut wird.

In Zusammenwirken mit den Verfahren der modernen Statistik ist es möglich, Soll-Verfahren der Verdichtung und Vernetzung der Bilanzpositionen zu wählen. Computer können damit wesentlich komplexere Operationen ausführen, als sie von Bilanzanalytikern vollzogen werden mußten, die auf Papier und Bleistift angewiesen waren.

Bilanzanalyse mit Kennzahlen
und Kennzahlensystemen

Bilanzanalyse war und ist Analyse von Kennzahlen. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Kennzahlen sind nötig und nützlich. Sie vereinfachen den Vergleich, indem sie die uneinheitlichen absoluten Zahlen in gleiche Dimensionen (z. B. Quoten, Indizes, Koeffizienten) überführen. Die Kennzahlen stellen Beziehungen dar, und zwar nicht nur Beziehungen von Teilen zum Ganzen, sondern vor allem Beziehungen, denen eine konstruierte Zuordnung oder sogar ein vermuteter Ursache-Wirkungs-Zusammenhang zugrundeliegt.

Der handelsrechtliche Jahresabschluß bietet 220 Bilanzpositionen zur Kennzahlenbildung an. Diese große Zahl von Positionen reizt naturgemäß immer wieder dazu, neue Kennzahlen zu bilden. Verwirrend wird dieses Spiel, wenn phantasievolle und seriös klingende Begriffe für diese Quotienten gewählt werden, ohne daß man sich auf ein einheitliches Begriffsverständnis und eine einheitliche Begriffsverwendung geeinigt hat. Vollends problematisch wird dieses Spiel, wenn für die so gebildeten Kennzahlen auch noch eine Bedeutung gefunden werden muß. Falsches Perfektionsstreben und eigensinniger Individualismus sind die Ursachen für die uferlose Ausweitung der Kennzahlenberechnung. Dabei sind die Kennzahlen in höchst unterschiedlichen Dimensionen bestimmt. Sie sind überdies unterschiedlich komplex. Während der "statische Verschuldungsgrad" noch als einfacher Quotient zwischen Fremdkapital und Bilanzsumme zu begreifen ist, benötigt die Errechnung des ,,dynamischen Verschuldungsgrades" oder entsprechend die ,,Entschuldungsdauer", die die Verschuldung im Vergleich zum Cash Flow darstellt, immerhin fünf Additionen bzw. Subtraktionen im Zähler sowie 24 Additionen bzw. Subtraktionen im Nenner, wenn sie nach den Regeln der Versicherungswirtschaft vorgenommen wird.

Immerhin lassen sich 20 Bilanzkennzahlen bestimmen, die in Wissenschaft und Praxis unstrittig anerkannt sind. Der Analytiker sollte fordern, daß wenigstens dieser Bestand an Kennzahlen einheitlich ermittelt und konsensfähig verwendet wird. Viele einzelne Kennzahlen geben aber noch kein Gesamtbild. Es ist gerade das Merkmal und die Schwäche der einzelnen Kennzahl, daß sie eine punktuelle Beobachtung liefert. Die Schwäche dieser Analysetechnik enthüllt sich, wenn die einzelnen Kennzahlen zu gegenteiligen Aussagen kommen und der Analytiker diese Widersprüche zu einem Gesamturteil verdichten muß.

Hier setzt die Leistung von Kennzahlensystemen an. Es werden folgende Anforderungen gestellt: Gesucht wird ein Urteil über die gesamte Lage der Unternehmung, das sich nicht auf einen einzigen Meßwert stützt, sondern auf ein System verknüpfter Meßwerte. Diese Verknüpfung soll Ursache-Wirkungs-Ketten offenlegen, das heißt zeigen, wie sich bestimmte Effekte auf vorgelagerte Teileffekte zurückführen lassen. Die Analyse konzentriert sich somit zunächst auf bestimmte Schlüsselinformationen, die dann wiederum systematisch zerlegt werden, um dann die vorgelagerten Einflüsse deutlich zu machen.

Die nachfolgende Abbildung zeigt ein Beispiel für eine derartige Kennzahlenhierarchie, die Erfolgsanalyse im MIDIAS-Konzept der DATEV. Dieses Konzept wurde aus dem RoI-Konzept entwickelt. Vergleichbare Systeme sind das ZVEI-System und das RL-System.

Kennzahlen und Kennzahlensysteme werden im allgemeinen im Zeitvergleich verwendet. Das heißt, man vergleicht das aktuelle Geschäftsjahr mit einem oder mehreren vorgelagerten Jahren und prüft so, ob und in welche Richtung sich das Unternehmen verändert hat. Schon früh hat Schmalenbach diese Vorgehensweise als Vergleich von Schlendrian mit Schlendrian gebrandmarkt. Damit erhebt sich aber nun die Frage, welches die geeigneten Referenzdaten sind, anhand derer die Beurteilung eines Zustandes oder einer Tendenz fundiert vorgenommen werden kann.

Fragwürdige Referenzgrößen:
Betriebsvergleich und Soll-Ist-Vergleich

Betriebsvergleiche haben eine lange Tradition in der Betriebswirtschaftslehre. Schnettler legte bereits 1933 die gleichnamige Schrift vor. Am Anfang seiner berühmt gewordenen Schrift diskutiert Schnettler bereits das Problem der Vergleichbarkeit. Ziel ist es, möglichst ähnliche Unternehmen zu vergleichen, um die unterschiedliche Leistung der Unternehmensführung zu erkennen. Naturgemäß sind alle Unterschiede in Struktur und Prozeß, Markt und Technik, Standort und Rechtsform, Ausweis und Bewertung bei dieser Sichtweise  "Störfaktoren", die die Eindeutigkeit der Effizienzbeurteilung behindern. Es ist nur konsequent, daß der Betriebsvergleich vielfach bei der Suche nach einem möglichst ähnlichen Vergleichspartner endet.

Diese Klage über die Störungen und die Mangelhaftigkeit des Betriebsvergleichs dürfen nicht das letzte Wort bleiben. Die sogenannten Störfaktoren entpuppen sich bei näherer Betrachtung als spezifische Stärken oder Schwächen einer Unternehmung, die durch diesen Betriebsvergleich bewußt gemacht werden. Wenn sich der Betriebsvergleich auf die oben skizzierten Kennzahlensysteme stützt und differenzierte Einsichten in die Ursachen bestimmter Effekte liefert, dann läßt sich auch ein Betriebs- und Branchenvergleich sinnvoll anstellen. Der Betriebsvergleich - verstanden als Vergleich des Unternehmens mit einem anderen - soll im Sinne einer Konkurrenzanalyse die Stärken und Schwächen des betrachteten Unternehmens gegenüber seinem wichtigsten Konkurrenten zeigen.

Der sogenannte Branchenvergleich geht über diese direkte, marktbezogene Beurteilung hinaus und zeigt die ganze Bandbreite des Möglichen. Der Branchenvergleich läßt erkennen, welche Minima und Maxima realisiert werden und erlaubt damit eine erste Einschätzung des betroffenen Unternehmens.

Damit zeigt sich auch die Struktur des Ablaufs: Die Analyse schreitet ausgehend vom Branchenvergleich über den Betriebsvergleich zur innerbetrieblichen Kausalanalyse vor.

Methodisch stellt diese Vorgehensweise lediglich die Anforderung, daß die in den Vergleich eingehenden Daten gleichartig ermittelt, den gleichen Zeiträumen entnommen und in gleicher Weise verdichtet sind. Gegebenenfalls lassen sich die Daten einer Branche unter Hinzuziehung weiterer Kriterien wie Rechtsform und Unternehmensgröße weiter einschränken und den Verhältnissen der betrachteten Unternehmung annähern. Auch dies ist wiederum heute schon Realität, wie das vielfältige Programmangebot von Verbänden, Banken und Service-Unternehmen zeigt.

Dem Zeitvergleich wird vorgeworfen, er vergleiche Schlendrian mit Schlendrian.  Dem Betriebsvergleich wird vorgehalten, er vergleiche Unvergleichbares. Über beide Vorwürfe versucht der Normvergleich hinwegzukommen. Es ist der Vergleich der vorgelegten, tatsächlich realisierten Bilanz mit einer prognostizierten, virtuellen Bilanz. Diese virtuellen Bilanzen existieren in unterschiedlichen Varianten:

  • Eine schlichte Prognosebilanz wird durch die Ableitung erwarteter Bilanzwerte aus einer gegebenen Zeitreihe von realisierten Bilanzwerten mit Hilfe mehr oder weniger komplexer statistischer Verfahren gebildet. Maßgeblich für die errechneten Bilanzwerte sind also nur die Trends der Vergangenheit, soweit diese sich in den entsprechenden Prognosefunktionen einfangen lassen.
  • Aus einer Prognosebilanz wird eine Planbilanz, indem spezifische Erwartungen der jeweiligen Geschäftsjahre durch manuelle Eingabe berücksichtigt werden. Es lassen sich What-if-Szenarios entwerfen. So kann z. B. bewußt von dem Trend der bisherigen Umsatzentwicklung abgewichen werden.
  • Aus einer Planbilanz wird eine Sollbilanz, wenn einzelne Eckwerte zielbestimmt vorgegeben werden. Dem externen Analytiker sind derartige Vorgaben naturgemäß unbekannt. Andererseits ist es ihm nicht verwehrt, den Bilanzierenden nach derartigen Absichten zu fragen.

Je nachdem, welche Art von virtueller Bilanz vorliegt, wird ein Vergleich des Solls mit dem Ist zu unterschiedlichen Aussagen kommen. Der Vergleich der Prognosebilanz mit der realisierten Bilanz zeigt lediglich, ob sich das Unternehmen ähnlich verhalten hat wie in der Vergangenheit. Der Vergleich der tatsächlichen Bilanz mit Planbilanz oder gar Sollbilanz zeigt demgegenüber, ob zielbestimmte Einzeleingriffe im untersuchten Geschäftsjahr bereits die erwarteten Effekte erbracht haben.

Prognosebilanzen werfen erhebliche methodische Probleme auf. Singuläre Abschlußpositionen, das heißt alle Positionen, die nicht "ordentlichen Charakters" sind, lassen sich in aller Regel überhaupt nicht prognostizieren. Die Prognosetechniken selbst sind je nach Bilanzposition höchst unterschiedlich. Nur in wenigen Fällen lassen sich lineare Regressionsrechnungen anwenden. Vielfach werden höchst komplexe Prognoseschritte in Boole`scher Algebra verknüpft.

Der wohl wichtigste Einwand gegen die Verwendung derartiger Soll-Ist-Vergleiche liegt in der mangelnden Akzeptanz dieses Verfahrens in der Praxis. Die Vertreter des klassischen Rechnungswesens denken vergangenheitsorientiert und nicht oder nur ansatzweise zukunftsbezogen. Umgekehrt sind typische Planer nicht gewohnt, die strengen Standards eines in sich abgestimmten Rechnungswesens einzuhalten. Kennzeichnend ist ja auch, daß die Funktionen des Rechnungswesens und des Controlling in aller Regel säuberlich getrennt sind.

Der externe Bilanzanalytiker kennt die zielbestimmten Vorgaben oder die spezifischen Erwartungen nicht, die den Sollbilanzen oder Planbilanzen zugrundeliegen. Er kann lediglich mit Prognosebilanzen arbeiten und kommt aus Unkenntnis über die singulären Eingriffe zu falschen Urteilen. So ist es wohl zu erklären, daß die Erstellung und Analyse von Planbilanzen den großen Durchbruch in der Wirtschaftspraxis noch nicht geschafft hat.

Der Wunsch nach dem verdichteten Urteil:
Die Problematik des Cash Flow

Immer wenn die Analyse in zunehmender Detaillierung unübersichtlich, komplex und allzu reich an Einzelinformationen zu werden droht, kann man mit Sicherheit darauf rechnen, daß der Wunsch nach einer neuen Form der Informationsverdichtung auftaucht. Die Reaktion auf die Kennzahlenflut, die Komplizierung der Kennzahlensysteme und die starke Manipulierbarkeit der Einzeldaten standen Pate bei der Geburt des Cash Flow. Man suchte nach einem Meßwert, der in einer einzigen Kennzahl ein robustes Urteil über Erfolg und finanzielle Sicherheit erlaubt und zugleich möglichst wenig manipulierbar ist. Man glaubte ihn im Cash Flow gefunden zu haben. Ursprünglich handelte es sich tatsächlich um einen finanzwirtschaftlichen Tatbetand, nämlich um den Überschuß der Einzahlungen über die Auszahlungen einer Periode. Da sich aber diese finanzwirtschaftlichen Daten nicht aus dem Jahresabschluß unmittelbar ergeben, mußte der Cash Flow in aufwendigen Verrechnungen bestimmt werden. Entweder setzen derartige Rechnungen wieder an den finanzwirtschaftlichen Urgrößen an und versuchten, die Einzahlungen und Auszahlungen aus der Gewinn- und Verlustrechnung unter Berücksichtigung von Debitoren- und Kreditorenänderungen zu bestimmen. Der einfachere Weg schien die retrograde Rechnung zu sein, bei der man zum Jahresüberschuß wieder die nicht finanzwirksamen Aufwendungen hinzurechnet. Die einfachste Form begnügte sich damit, zum Jahresüberschuß die Abschreibungen und die Zuführungen zu den Pensionsrückstellungen zu addieren.

Inzwischen hat die Diskussion den Stand erreicht, daß man für spezifische bilanzanalytische Zwecke jeweils arteigene Cash Flows bestimmt. So wird etwa für eine Analyse der betrieblichen Ertragskraft ein gesonderter "ordentlicher betrieblicher Cash Flow" ermittelt, in dem alle nicht ordentlichen Aufwands- und Ertragselemente berücksichtigt sind. Andere, eher finanzwirtschaftliche Rechnungen berücksichtigen gesondert die Ausschüttungen und Steuerzahlungen in einem "Netto-Cash-Flow". Wiederum andere Rechnungen, die darauf gerichtet sind, die Krise frühzeitig zu bestimmen, definieren einen "Krisensignalwert" in dem die nicht ordentlichen Aufwendungen und Erträge imparitätisch berücksichtigt werden. Die folgende Abbildung zeigt, wie die Vielfalt der Definitionen in einem modularen Ansatz aufgefangen werden kann.

M1

Jahresüberschuß / Jahresfehlbetrag (§ 275 II Ziff. 20 HGB)
- Erträge aus Verlustübernahme (§ 211 III Satz 2 HGB)
+ auf Grund einer Gewinngemeinschaft, eines Gewinnabführungs- oder
eines Teilgewinnabführungsvertrags abgeführte Gewinne (§ 277 III Satz 2 HGB)
+ Abschreibungen (§ 275 II Ziff. 7 HGB)
+ Zunahme der Pensionsrückstellungen (§ 266 III Ziff. B 1 HGB), ermittelt durch Bildung der Differenz gegenüber dem Vorjahr

A.

"Elementar-Cash Flow"

M 2

- außerordentliche Erträge (§ 275 II Ziff. 15 HGB)
+ außerordentliche Aufwendungen (§ 275 II Ziff. 16 HGB)
- sonstige betriebliche Erträge (§ 275 II Ziff. 4 HGB)

B.

"Ordentlicher Unternehmens-Cash Flow"



M3- Erträge aus Beteiligungen (§ 275 II Ziff. 15 HGB)
- Erträge aus anderen Wertpapieren und Ausleihungen des Finanzanlagevermögens (§ 275 II Ziff. 10 HGB)
- sonstige Zinsen und ähnliche Erträge (§ 275 II Ziff. 11 HGB)
+ Abschreibungen auf Finanzanlagen und auf Wertpapiere des Umlaufvermögens (§275 II Ziff. 12 HGB)
+ Zinsen und ähnliche Aufwendungen (§ 275 II Ziff. 13 HGB)

C.

"Ordentlicher betrieblicher Cash Flow"
M4- Auszuschüttender Betrag (§ 174 II Ziff. 2 AktG) oder andere Formen der Gewinnausschüttung (§ 266 I HGB)

D.

"Ordentlicher betrieblicher Netto-Cash Flow"
M5- Erhöhung der Forderungen aus Lieferungen und Leistungen / 
+ Verminderung (§ 266 II Ziff. B II.1 HGB)
+ Erhöhung der aktiven Rechnungsabgrenzungsposten (§ 266 II Ziff. C HGB)
- Verminderung der passiven Rechnungsabgrenzungsposten (§ 266 III Ziff. D HGB)
- Erhöhung des Bestandes an fertigen und unfertigen Erzeugnissen / 
+ Verminderung (§ 275 II Ziff. 2 HGB)
- aktivierte Eigenleistungen (§ 275 II Ziff. 3 HGB)

E.

"Ordentlicher, finanziell verwendbarer betrieblicher Netto-Cash Flow"



M6

- außerordentliche Aufwendungen (§ 275 II Ziff. 16 HGB)
- Erträge aus Beteiligungen (§ 275 II Ziff. 9 HGB)
- Erträge aus anderen Wertpapieren und Ausleihungen des Finanzanlagevermögens, soweit aus verbundenen Unternehmen (§ 275 II Ziff. 10 HGB)
- sonstige Zinsen und ähnliche Erträge, soweit aus verbundenen Unternehmen (§ 275 II Ziff. 11 HGB)
+ Steuern vom Einkommen und vom Ertrag (§ 275 II Ziff. 18 HGB)

"Krisensignalwert"

Da der Cash Flow als absolute Zahl wenig sagt, muß er auf andere Bilanzpositionen bezogen werden. Erfolgswirtschaftliche Analyseabsichten bestimmen so einen Cash Flow in Prozent des Umsatzes oder des Eigenkapitals. Finanzwirtschaftlich orientierte Analysen beziehen den Cash Flow auf Investitionen oder auf das Fremdkapital.

Der Wunsch nach Verdichtung der Analyse in einem einzigen Urteil führt also genau gesehen wiederum zu einer erneuten Komplizierung. Einige dieser Kennzahlen scheinen sich im praktischen Einsatz zu bewähren, wenn man die Häufigkeit ihrer Erwähnung in der Wirtschaftspresse und in einzelnen Geschäftsberichten betrachtet. Gewisse Tendenzen der Standardisierung waren dabei auch erfolgreich. Unbestritten ist indessen keiner dieser Versuche geblieben.

Insolvenzprognosen mit Diskriminanzfunktionen

Die Prognosetechnik hat sich im folgenden unterschiedlich entwickelt. Die Vorhersage von Unternehmenskrisen oder sogar von Insolvenzen schien nicht nur dringlicher, sondern auch leichter möglich als die Vorhersage von Erfolg und Spitzenleistung. Das lag nicht zuletzt daran, daß der Krisenzustand eindeutiger definiert ist: Die Krise endet mit der Insolvenz. Ihr vorgelagert sind Sanierungsversuche. Diesen wiederum gehen zahlreiche kritische Beobachtungen voran, die als Frühwarnsignale interpretiert werden können. Gesucht wurde also ein Verfahren, das in der Lage sein soll, das Eintreten einer präzise definierbaren Krise möglichst frühzeitig vorherzusagen.

Versuche, einzelne Kennzahlen für einen derartigen prognostischen Auftrag einzusetzen, führten zu einem wenig befriedigenden Ergebnis. Viele empirische Versuche haben uns in der Gewißheit bestärkt, daß wenigstens 35 % der Krisenfälle nicht mit univariaten Tests vorhersagbar sind, auch wenn man eigens für diesen Test konstruierte Kennzahlen, wie z.B. den "Krisensignalwert", wählt. Ursächlich für diese unbefriedigende Prognoseleistung ist die Komplexität des zu prognostizierenden Ereignisses. Krisen ereignen sich nämlich aus dem Zusammenwirken mehrerer Ursachen. Und jede dieser Ursachen wird offenkundig durch eine arteigene Kennzahl signalisiert. Damit steht man an der Schwelle einer Prognose mit multivariaten Verfahren. Die folgende Abbildung gibt einen Eindruck von der Vielfalt der Versuche, mit Hilfe von unterschiedlichen Verfahren eine treffsichere Prognose von Krisen zu ermöglichen

Autor (Jahr)AnwendungsbereichVerfahrenTrefferquote
Frydman, H. /
Altman, E. I. /
Kao, D.-L. (1985)
InsolvenzprognoseRekursive Partitionierung (RPA) mit 6 Kennzahlen71-92 % in Abhängigkeit von den vorgegebenen Kosten einer Fehlklassifikation
Peel, M. J. / 
Peel, D. A. (1988)
InsolvenzprognoseMultinominale Logit-Analyse (MLA) mit 3 Kennzahlen87,6 % im 2-Gruppenfall
Feidicker, M. (1992)KreditwürdigkeitsprüfungLineare DA mit 4 Kennzahlenum 80 %
Leker, J. (1993)Fraktionierende Krisendiagnose Multiple lineare DA mit 4 Kennzahlen78-80 % im 2-Gruppenfall
Krause, C. (1993) Kreditwürdigkeitsprüfungversch. NN mit 4-73 KennzahlenAlpha-Fehler: 8,7 % (fixiert)
Beta-Fehler: um 41 %
Rommelfanger, H. (1993)KreditwürdigkeitsprüfungExpertensystem mit Fuzzy-SetsKeine Angaben
Kerling, M. / 
Poddig, T. (1994)
KreditwürdigkeitsprüfungMultilayer-Perceptron (NN) mit 4-11 Kennzahlen85-89 %
DA = Diskriminanzanalyse, NN=Neuronales Netz

Hier wollen wir uns auf ein einziges Verfahren konzentrieren, die Insolvenzdiagnose auf der Basis von Diskriminanzanalysen. Hierbei handelt es sich um ein multivariates statistisches Verfahren, das im Ergebnis eine Diskriminanzfunktion ermittelt, die die Unterschiede zwischen zwei Gruppen von Unternehmen (solvente versus insolvente) ermittelt. Zur Gewinnung einer Diskriminanzfunktion geht man in folgenden Schritten vor:

  • Schritt 1: Man erfaßt zunächst die Jahresabschlüsse von Unternehmen, die in eine schwere Krise geraten sind, wie beispielsweise Insolvenz- oder Sanierungsfälle.
  • Schritt 2: Man bildet eine Kontrollgruppe, indem man Jahresabschlüsse von Unternehmen erfaßt, die den Krisenfällen in Branche und Größe ähnlich sind, aber im Betrachtungszeitraum eine unauffällige Geschäftsentwicklung erleben.
  • Schritt 3: Man ermittelt eine Reihe von Bilanzkennzahlen von jedem der betrachteten Unternehmen. Für die Bildung dieser Bilanzkennzahlen wird möglichst eine Theorie herangezogen, die begründet, warum sich die in Zähler und Nenner eingehenden Bilanzpositionen im Falle einer Krise positiv oder negativ entwickeln. Die Diskriminanzanalyse selbst ist ein heuristisches Vorgehen, durch das die Kennzahlen ausgewählt werden, die den größten zusätzlichen Beitrag zur Diagnose der Gruppenunterschiede leisten.
  • Schritt 4: Im Computer wird dieser Test mit wechselnden Kombinationen von Kennzahlen so lange wiederholt, bis eine möglichst gute Trennung der beiden Gruppen erreicht ist. Maßstab für die Bewertung der Trennleistung ist dabei, ob solvente Unternehmen als solvent und insolvente Unternehmen als insolvent klassifiziert werden. Anders gesagt: Die Fehlklassifikationen - insolvente als solvent (Alphafehler) und solvente als insolvent (Betafehler) - sind der Maßstab für die Güte des Rechenansatzes.
  • Schritt 5: Das Analyseverfahren führt im Ergebnis zu einer Bewertungsformel, der Diskriminanzfunktion, die die ausgewählten Kennzahlen, ihre Gewichtung und ihre multivariate Verknüpfung abbildet. Die Gewichtung unterscheidet sich hierbei in Abhängigkeit von der Bedeutung der jeweiligen Kennzahl.
  • Schritt 6: Für die Anwendung der Diskriminanzfunktion wird schließlich noch ein kritischer Wert - üblicherweise ,,cut-off-point" genannt - ausgegeben, das ist der Grenzwert, ab dem ein Unternehmen als krisengefährdet eingestuft wird.

Die folgende Abbildung veranschaulicht die Grundstruktur einer derartigen Diskriminanzfunktion.

Z = ax1 + bx2 + cx3

mit

   x1 : betriebliche Rendite
   x2 : Verschuldungsgrad
   x3 : Umschlagdauer des Umlaufvermögens

Bis zu diesem Schritt beschreibt das Verfahren lediglich die Klassifikation von zwei gegebenen Stichproben. In der praktischen Anwendung werden in die so gefundene Formel die Werte anderer Unternehmen eingesetzt, die nicht in den Untersuchungsgruppen enthalten sind. Es wird ein jeweils unternehmensspezifischer Diskriminanzwert ermittelt und mit dem angegebenen cut-off-point verglichen. Dieser Vergleich ermöglicht eine Aussage über die Krisengefährdung des analysierten Unternehmens.

Das Verfahren der Diskriminanzanalyse mit dem Ziel der Krisendiagnose wurde bereits in einer kaum noch überschaubaren Zahl von empirischen Untersuchungen überprüft. Faßt man die Ergebnisse zusammen, so zeigt sich,

  • daß eine im praktischen Einsatz zufriedenstellende Klassifikationsgüte (zwischen 75 und 80 %) bereits durch die Verknüpfung relativ weniger Kennzahlen (3 bis 4) erreicht wird,
  • daß diese Kennzahlen bei branchenübergreifenden Klassifikationen zumeist recht hoch verdichtet und einfach gestaltet sind,
  • daß die relativ einfach aufgebauten Diskriminanzfunktionen auch bei Anwendung auf neue Unternehmen zu beachtlichen Ergebnissen kommen. Berichtet werden üblicherweise Trefferquoten zwischen 75 und 80 % drei Jahre vor Eintritt der Insolvenz.

In der Praxis werden Diskriminanzfunktionen zur Krisendiagnose insbesondere von Banken im Bereich der Kreditwürdigkeitsprüfung im Firmenkundengeschäft eingesetzt. Die im folgenden präsentierte Diskriminanzfunktion entstammt einem Forschungsprojekt, das wir mit einer deutschen Großbank durchgeführt haben. Der cut-off-point liegt bei Null.

Z = 0,6682 + 0,0373 x1 - 0,4072 x2 - 0,0230 x3

mit

   x1 : (Brutto-Cash-Flow / mittel- und langfristiges Fremdkapital) x 100
   x2 : (12 x Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen) / Leistung
   x3 : (nicht ordentlicher Aufwand / Leistung) x 100

Die multivariate Verknüpfung der Kennzahlen ist so zu interpretieren, daß insbesondere ein Abwärtstrend des Cash Flow bei steigender Verschuldung sowie eine Verlängerung des Lieferantenziels die Insolvenz frühzeitig diagnostiziert. Es ist interessant, daß der Ausweis von Sonderabschreibungen und außerordentlichen Aufwendungen ein weiteres Krisensignal gibt - allerdings mit einer merklich geringeren Bedeutung.

Gegen das Verfahren der Diskriminanzanalyse wird eine Reihe von Einwendungen geltend gemacht. Wir wollen diese Kritik und die hieraus resultierenden Systementwicklungen abschließend beleuchten:

  • Die Diskriminanzanalyse liefert nur eine Diagnoseleistung, die in der praktischen Anwendung von untergeordneter Bedeutung ist. Ziel ist es nicht, den Grenzfall der Insolvenz vorherzusagen, sondern Krisenzustände, die diesem Grenzfall vorgelagert sind. Erste Untersuchungen belegen die Notwendigkeit einer in diesem Sinne fraktionierenden Krisendiagnose. Wählt man z. B. die Sanierung als das betrachtete kritische Auswahlkriterium, so zeigt sich, daß diese mit anderen Kennzahlenkombinationen vorherzusagen ist als die Insolvenz. Geht man noch weiter zurück und fragt sich, durch welche Kennzahlenkombination eine kritische Behandlung des Unternehmens in der Wirtschaftspresse prognostiziert werden kann, zeigen sich wiederum andere Kennzahlen.
  • Die Diskriminanzfunktionen liefern keine Insolvenzprognosen, sondern strenggenommen nur Insolvenzdiagnosen. Sie klassifizieren zwei Stichproben und gelten damit nur unter bestimmten historischen Verhältnissen. Sie sind damit im Zeitablauf instabil, insbesondere sind sie nicht konjunkturstabil.
  • Die Diskriminanzfunktionen fußen auf Daten von Gruppen von Unternehmen. Sie führen damit die Technik des Betriebs- und Branchenvergleichs auf höherer Ebene fort. Sie unterliegen damit aber allen Einflüssen, die bei der Auswahl dieser Gruppen maßgeblich sind. Konsequenterweise ist zu fordern, daß eine möglichst große und möglichst nicht durch eine Vorauswahl gefilterte Menge von Stichprobenfällen zu ziehen sei. Zeigt sich hierbei, daß branchenspezifische Besonderheiten zu einer Verschlechterung der Diagnoseleistung führen, ist die Analyse bewußt zu differenzieren. Es gilt dann, weitere branchenspezifische Diskriminanzfunktionen zu entwickeln. Entsprechende Untersuchungen belegen z. B., daß für die Baubranche ganz andere Variablen heranzuziehen sind als für Industrieunternehmen.
  • Die statistischen Anwendungsvoraussetzungen für Diskriminanzanalysen werden vom analysierten Datenmaterial meistens nicht befriedigend erfüllt. Insbesondere die Annahme der Normalverteilung und der unterstellte lineare Zusammenhang zwischen kritischer Unternehmensentwicklung und Diskriminanzwert lassen sich anhand der Daten häufig nicht nachweisen. Ausgehend von dieser Kritik sind bereits eine Reihe von Untersuchungen mit anderen statistischen Verfahren durchgeführt worden, die auf entsprechende Verteilungs- und Zusammenhangsannahmen verzichten. Die neuesten Ansätze versuchen, das Klassifikationsproblem mit Hilfe sogenannter künstlicher neuronaler Netze zu lösen. Hierbei entwickelt der Computer in Verbindung mit der entsprechenden Software eigenständig die zur Diagnose notwendigen Verknüpfungen der Ausgangsdaten, indem das System mit vielen tausend Lernklassifikationen trainiert wird. Damit lassen sich auch nicht-lineare und nicht-stetige Zusammenhänge berücksichtigen.
  • Die Diskriminanzfunktionen nutzen das Gesetz der großen Zahl, werden aber den Gegebenheiten des Einzelfalles nicht gerecht. Gerade für die wichtige Frage, ob Maßnahmen des Krisenmanagements noch erfolgreich eingesetzt werden können, liefern sie keine Entscheidungshilfe. Will man die Erfolgsaussichten derartiger Maßnahmen beurteilen, muß man wissen, welche Erfolgspotentiale bestehen und welche stillen Reserven noch vorhanden sind. Gerade diese Informationen finden aber bei der Diskriminanzanalyse keine Berücksichtigung. Anders gesagt: Die Diskriminanzanalyse liefert somit nur ein erstes, recht grobes Signal, sich im Detail mit der betreffenden Unternehmung zu befassen. Sie ist in diesem Sinne - genauso wie der Betriebs- und Branchenvergleich - der Einzelfallanalyse vorgelagert.

Expertensysteme und Expertisesysteme

Für die tiefergehenden Analysen bieten sich sogenannte Expertensysteme an, die in einem computergestützten Dialog den Entscheidungs- und Beurteilungsprozeß eines Expertenkollegiums abbilden und so eine Verknüpfung von Jahresabschlußanalysen und anderen wichtigen Unternehmensdaten erlauben. Die Arbeitsweise eines Expertensystems folgt in der Regel dem nachfolgenden Schema:

  • Zunächst werden die relevanten Informationen aus den hausinternen Datenbanken abgefordert. Hierbei handelt es sich in erster Linie um quantitative Daten, die anhand des Jahresabschlusses oder der Konten des Kreditnehmers ermittelt werden können. Diese Daten sind in der Regel durch entsprechende Verfahren bereits zu einem ersten Urteil - beispielsweise einem Diskriminanzwert - verdichtet worden.
  • Dann wird der Anwender - im Sinne einer intelligenten Checkliste - nach zusätzlichen Informationen gefragt. Anhand der Antworten wird ein individuell angepaßter Dialog entwickelt, in dem diejenigen zusätzlich benötigten Informationen vom Anwender abgefragt werden, die ein Experte in dieser Situation heranziehen würde. Hierbei handelt es sich überwiegend um qualitative Daten, z. B. über den Markt, das Management, die spezifischen Risiken oder spezielle Prognosen des Unternehmens.
  • Es erfolgt dann eine Verknüpfung der so gewonnenen Informationen in einem Regelsystem, das die Erkenntnissse der empirischen Krisenforschung berücksichtigt und den Schlußfolgerungsprozeß von Experten nachbildet.
  • Im Ergebnis werden dem Anwender eine Reihe von Teilurteilen präsentiert, die teils vom System erzeugt, teils individuell beeinflußt sind. Der Anwender kann diesen Teilurteilen zustimmen oder ihnen widersprechen - er bleibt damit Herr des Verfahrens, wenn aus diesen Teilurteilen ein Gesamturteil abgeleitet wird. Das Expertensystem dokumentiert den gesamten Diagnoseprozeß und zeigt überdies, wo durch die individuellen Eingaben des Anwenders auch die persönliche Verantwortung des Systembenutzers liegt.

Trotz der augenscheinlichen Vorteile dieser Expertensysteme sind ihr Einsatz und ihre Akzeptanz in der Krisendiagnose nur sehr zögernd vorangekommen. Der Grund für diese Zurückhaltung liegt in erster Linie darin, daß gegen die Gewinnung des Expertenwissens Einwände erhoben werden. Eine professionelle Mobilisierung des Expertenwissens oder gar seine empirische Prüfung finden in der Regel nicht statt.

Sollte dieser derzeit noch gültige Einwand überwunden werden, scheint die Verknüpfung von automatisch vorsortierenden Klassifikationsverfahren und dialogführenden Expertensystemen eine vielversprechende Weiterentwicklung der vorhandenen Systeme zu sein. Die Stärken beider Ansätze könnten sinnvoll kombiniert werden.

Trotz ihres sehr ähnlich klingenden Namens liefern Expertisesysteme etwas anderes: Sie bieten eine verbale Darstellung des Analyseergebnisses. Sie verzichten dabei nicht auf Tabellen, aber sie geben dazu schriftliche Erläuterungen. Sie kommen damit der Informationsnachfrage typischer Analytiker in hohem Maße entgegen. Das ist nur möglich, wenn die Analyse einem festen Regelkonzept folgt, kritische Grenzwerte vorgegeben werden und eine gewisse Verarmung der Semantik und Syntaktik toleriert wird. Diese Verarmung ist aber nicht nur negativ zu interpretieren. Maschinell erzeugte Bilanzanalysen in schriftlicher Form haben zumindest den Vorteil, daß die in ihnen enthaltenen Begriffe und ihre Verknüpfungen eindeutig sind und sich damit unzweifelhaft interpretieren lassen. Expertisesysteme liefern insoweit auch nicht manipulierbare, nicht durch Euphemismen und ambivalente Begriffe verschönerte Darstellungen. Die folgende Darstellung zeigt einen Ausschnitt aus einer derartigen, maschinell erstellten Expertise.

 
ÜBERBLICK ZUR WIRTSCHAFTLICHEN LAGE
FÜR DIE DECKEL AG

Berichtszeitraum: vom 01.01.88 bis 31.12.88 
Vergleichszeitraum: vom 01.01.87 bis 31.12.87

A. ERFOLGSLAGE

Das Ergebnis der GuV ist von TDM 7.830 um 70,64 % auf TDM 2.299 gesunken. Zuzüglich Steuern vom Einkommen und vom Ertrag sowie Zinsaufwendungen ergibt sich ein Erfolg, der sich von TDM 26.119 um 40,58 % auf TDM 15.520 ebenfalls vermindert hat.

Alle drei Erfolgsquellen sind positiv, dabei leistet der ordentliche Bereich den größten Ergebnisbeitrag, innerhalb des ordentlichen Ergebnisses der Betriebsbereich. Der Erfolg im Vergleichszeitraum resultiert hauptsächlich aus dem ordentlichen Bereich und hier aus dem Betriebsbereich.

Die Gesamtkapitalrendite, die als Verhältnis des Erfolgs zur Bilanzsumme errechnet wird, liegt unter dem Vergleichswert.

B. FINANZLAGE

1. Mittelherkunft und -verwendung

Per Saldo liegt eine Eigenmittelmehrung vor, die zusammen mit der Fremdmittelaufnahme in den Aufbau von Vermögen investiert wurde.

Bei getrennter Betrachtung resultiert die Mittelherkunft weit überwiegend aus Fremdmittelaufnahme, während Vermögensabbau und Eigenmittelmehrung nur geringe Beiträge leisten. Die Eigenmittelmehrung besteht überwiegend aus dem finanzwirksamen Ergebnis, außerdem aus der Zuführung von Außenmitteln.
...

Fazit

Ganz unstrittig hat also die Bilanzanalyse technisch gesehen einen erheblichen Fortschritt genommen, wenn man nicht gar von einem Fortsprung sprechen will. Ist damit bereits eine schöne neue Welt realisiert?

Bilanzanalysen und -prognosen sind so gut oder so schlecht wie die Urdaten, die ihnen zugrundeliegen. Es liegt in der Natur der Sache, daß Bilanzdaten mit allen Problemen behaftet sind, die aus der Tatsache resultieren, daß Bilanzen und Bilanzaussagen auf subjektiven Schätzungen beruhen und von subjektiven Interessen geprägt sind. Hinzu kommt, daß sachfremde Erwägungen, wie etwa Interessen der Steuervermeidung, den Abbildungsauftrag der Bilanz immer wieder stören.

Die Bilanzanalyse scheint - wie viele Betrachtungsobjekte der Betriebswirtschaftslehre - ein Verfahren zu sein, daß sich auf die große, konzernfreie Kapitalgesellschaft beschränkt. Konzernbilanzen lassen sich mit den geschilderten Instrumenten nicht analysieren. Sie bieten eine so vielfältige Möglichkeit der Verschleierung von Bilanzaussagen, daß man Konzernbilanzen mit ganz andersartigen Instrumenten aufschlüsseln muß, um zunächst einen Eindruck vom Publizierungs- und Kaschierungsverhalten zu gewinnen.

Personengesellschaften werden traditionell aus der Betrachtung der Betriebswirtschaftslehre ausgeblendet. Spezifische Instrumente zur Analyse von Bilanzen der Personengesellschaften fehlen bisher.

Neben diese Kritik an der Datenbasis tritt die Kritik an den theoretischen Fundamenten der Bilanzanalyse. Der Vorwurf, den Bilanzkennzahlen fehle es an einer theoretischen Herleitung, namentlich aus der Theorie des Kapitalmarktes, trifft nicht schon deshalb zu, daß man ihn ständig wiederholt. Nach unserer Auffassung liegt die Problematik woanders: Für die theoretische Fundierung von Unternehmenserfolg und Unternehmenskrise werden unterschiedliche Theorien benötigt. Die theoretische Fundierung von Unternehmenskrisen, von Verhalten in krisenhaften Situationen und von der Abbildung der Krise in der Bilanz ist dabei weiter fortgeschritten als die Theorie der Erfolgsfaktoren.

Diese kurzen Überlegungen zeigen aber eines: Die technische Perfektionierung der Bilanzanalyse kann kein Selbstzweck bleiben. Sie ist nur gerechtfertigt, wenn die theoretische Erklärung zum Auftreten und Erscheinungsbild von Unternehmenskrisen mit ihr Schritt hält.

Autor

Prof. Dr. Jens Leker
Institut für betriebswirtschaftliches Management
im Fachbereich Chemie und Pharmazie
Westfälische Wilhelms-Universität
Leonardo Campus 1
D-48149 Münster
Telefon: +49 (0)251 83 318 10
Telefax: +49 (0)251 83 318 18
Internet: www.wirtschaftschemie.de
E-Mail: leker@krisennavigator.de

 

Erstveröffentlichung im Krisennavigator (ISSN 1619-2389):
1. Jahrgang (1998), Ausgabe 1 (November)


Vervielfältigung und Verbreitung - auch auszugsweise - nur mit ausdrücklicher
schriftlicher Genehmigung des Krisennavigator - Institut für Krisenforschung, Kiel.
© Krisennavigator 1998-2024. Alle Rechte vorbehalten. ISSN 1619-2389.
Internet:
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Neue jahresabschlußbasierte Verfahren
der bilanziellen Krisendiagnose

von Prof. Dr. Jens Leker

Überblick

Durch zunehmenden Computereinsatz und die Entwicklung immer neuer statistischer Verfahren, hat sich auch die Bilanzanalyse zur Krisendiagnose erheblich weiterentwickelt. Aus der einfachen Aneinandereihung von Kennzahlen wurden systematisch aufeinander bezogene Kennzahlensysteme. Aus simplen Quotienten einzelner Abschlußpositionen wurden komplexe Meßwerte entwickelt, die - wie der Cash Flow - in unterschiedlichen Varianten unterschiedlichen Meßzielen dienen. Auch Zeit-, Betriebs-, Branchen- und Normvergleiche konnten erheblich ausgebaut und differenziert werden.

Computereinsatz in der Bilanzanalyse

Die Methoden der Bilanzanalyse haben sich durch den Einsatz von Computern und statistischen Methoden revolutioniert. Der Computereinsatz verlangte dabei eine homogenisierte Datenerfassung und reduzierte damit die willkürliche Datenzuordnung. Zugleich wurde damit eine ständige Datenkontrolle ermöglicht. Last not least übernehmen die Computer Archivfunktionen. Dies alles sind noch Leistungen, die eher auf einer ausführenden Ebene liegen. In zunehmendem Maße lassen sich aber durch Computer höherwertige Aufgaben übernehmen: Durch einen ständigen Vergleich von Soll und Ist sind Computer in der Lage, Signale zu geben, die den Analytikern verborgen bleiben. Es wird so möglich, ständig die Einhaltung kritischer Grenzwerte zu überprüfen und ihr Überschreiten unabhängig von menschlichem Einfluß an die zuständige Stelle zu melden. Computer erlauben es, die Datenbestände in unzähligen Vergleichen - Zeitvergleichen, Betriebsvergleichen und Normvergleichen - einzusetzen und damit ein Urteil über eine relative Verbesserung oder Verschlechterung der Lage der Unternehmung abzuleiten. Computer entwerfen Berichte in natürlicher Sprache, die zugleich kontrolliert bleibt. Maschinelle Expertisen engen den semantischen und syntaktischen Manipulationsspielraum der Berichtenden ein. Und last not least: Computer bieten den Dialog mit den besten Experten, wenn die Analyse in Expertensysteme eingebaut wird.

In Zusammenwirken mit den Verfahren der modernen Statistik ist es möglich, Soll-Verfahren der Verdichtung und Vernetzung der Bilanzpositionen zu wählen. Computer können damit wesentlich komplexere Operationen ausführen, als sie von Bilanzanalytikern vollzogen werden mußten, die auf Papier und Bleistift angewiesen waren.

Bilanzanalyse mit Kennzahlen
und Kennzahlensystemen

Bilanzanalyse war und ist Analyse von Kennzahlen. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Kennzahlen sind nötig und nützlich. Sie vereinfachen den Vergleich, indem sie die uneinheitlichen absoluten Zahlen in gleiche Dimensionen (z. B. Quoten, Indizes, Koeffizienten) überführen. Die Kennzahlen stellen Beziehungen dar, und zwar nicht nur Beziehungen von Teilen zum Ganzen, sondern vor allem Beziehungen, denen eine konstruierte Zuordnung oder sogar ein vermuteter Ursache-Wirkungs-Zusammenhang zugrundeliegt.

Der handelsrechtliche Jahresabschluß bietet 220 Bilanzpositionen zur Kennzahlenbildung an. Diese große Zahl von Positionen reizt naturgemäß immer wieder dazu, neue Kennzahlen zu bilden. Verwirrend wird dieses Spiel, wenn phantasievolle und seriös klingende Begriffe für diese Quotienten gewählt werden, ohne daß man sich auf ein einheitliches Begriffsverständnis und eine einheitliche Begriffsverwendung geeinigt hat. Vollends problematisch wird dieses Spiel, wenn für die so gebildeten Kennzahlen auch noch eine Bedeutung gefunden werden muß. Falsches Perfektionsstreben und eigensinniger Individualismus sind die Ursachen für die uferlose Ausweitung der Kennzahlenberechnung. Dabei sind die Kennzahlen in höchst unterschiedlichen Dimensionen bestimmt. Sie sind überdies unterschiedlich komplex. Während der "statische Verschuldungsgrad" noch als einfacher Quotient zwischen Fremdkapital und Bilanzsumme zu begreifen ist, benötigt die Errechnung des ,,dynamischen Verschuldungsgrades" oder entsprechend die ,,Entschuldungsdauer", die die Verschuldung im Vergleich zum Cash Flow darstellt, immerhin fünf Additionen bzw. Subtraktionen im Zähler sowie 24 Additionen bzw. Subtraktionen im Nenner, wenn sie nach den Regeln der Versicherungswirtschaft vorgenommen wird.

Immerhin lassen sich 20 Bilanzkennzahlen bestimmen, die in Wissenschaft und Praxis unstrittig anerkannt sind. Der Analytiker sollte fordern, daß wenigstens dieser Bestand an Kennzahlen einheitlich ermittelt und konsensfähig verwendet wird. Viele einzelne Kennzahlen geben aber noch kein Gesamtbild. Es ist gerade das Merkmal und die Schwäche der einzelnen Kennzahl, daß sie eine punktuelle Beobachtung liefert. Die Schwäche dieser Analysetechnik enthüllt sich, wenn die einzelnen Kennzahlen zu gegenteiligen Aussagen kommen und der Analytiker diese Widersprüche zu einem Gesamturteil verdichten muß.

Hier setzt die Leistung von Kennzahlensystemen an. Es werden folgende Anforderungen gestellt: Gesucht wird ein Urteil über die gesamte Lage der Unternehmung, das sich nicht auf einen einzigen Meßwert stützt, sondern auf ein System verknüpfter Meßwerte. Diese Verknüpfung soll Ursache-Wirkungs-Ketten offenlegen, das heißt zeigen, wie sich bestimmte Effekte auf vorgelagerte Teileffekte zurückführen lassen. Die Analyse konzentriert sich somit zunächst auf bestimmte Schlüsselinformationen, die dann wiederum systematisch zerlegt werden, um dann die vorgelagerten Einflüsse deutlich zu machen.

Die nachfolgende Abbildung zeigt ein Beispiel für eine derartige Kennzahlenhierarchie, die Erfolgsanalyse im MIDIAS-Konzept der DATEV. Dieses Konzept wurde aus dem RoI-Konzept entwickelt. Vergleichbare Systeme sind das ZVEI-System und das RL-System.

Kennzahlen und Kennzahlensysteme werden im allgemeinen im Zeitvergleich verwendet. Das heißt, man vergleicht das aktuelle Geschäftsjahr mit einem oder mehreren vorgelagerten Jahren und prüft so, ob und in welche Richtung sich das Unternehmen verändert hat. Schon früh hat Schmalenbach diese Vorgehensweise als Vergleich von Schlendrian mit Schlendrian gebrandmarkt. Damit erhebt sich aber nun die Frage, welches die geeigneten Referenzdaten sind, anhand derer die Beurteilung eines Zustandes oder einer Tendenz fundiert vorgenommen werden kann.

Fragwürdige Referenzgrößen:
Betriebsvergleich und Soll-Ist-Vergleich

Betriebsvergleiche haben eine lange Tradition in der Betriebswirtschaftslehre. Schnettler legte bereits 1933 die gleichnamige Schrift vor. Am Anfang seiner berühmt gewordenen Schrift diskutiert Schnettler bereits das Problem der Vergleichbarkeit. Ziel ist es, möglichst ähnliche Unternehmen zu vergleichen, um die unterschiedliche Leistung der Unternehmensführung zu erkennen. Naturgemäß sind alle Unterschiede in Struktur und Prozeß, Markt und Technik, Standort und Rechtsform, Ausweis und Bewertung bei dieser Sichtweise  "Störfaktoren", die die Eindeutigkeit der Effizienzbeurteilung behindern. Es ist nur konsequent, daß der Betriebsvergleich vielfach bei der Suche nach einem möglichst ähnlichen Vergleichspartner endet.

Diese Klage über die Störungen und die Mangelhaftigkeit des Betriebsvergleichs dürfen nicht das letzte Wort bleiben. Die sogenannten Störfaktoren entpuppen sich bei näherer Betrachtung als spezifische Stärken oder Schwächen einer Unternehmung, die durch diesen Betriebsvergleich bewußt gemacht werden. Wenn sich der Betriebsvergleich auf die oben skizzierten Kennzahlensysteme stützt und differenzierte Einsichten in die Ursachen bestimmter Effekte liefert, dann läßt sich auch ein Betriebs- und Branchenvergleich sinnvoll anstellen. Der Betriebsvergleich - verstanden als Vergleich des Unternehmens mit einem anderen - soll im Sinne einer Konkurrenzanalyse die Stärken und Schwächen des betrachteten Unternehmens gegenüber seinem wichtigsten Konkurrenten zeigen.

Der sogenannte Branchenvergleich geht über diese direkte, marktbezogene Beurteilung hinaus und zeigt die ganze Bandbreite des Möglichen. Der Branchenvergleich läßt erkennen, welche Minima und Maxima realisiert werden und erlaubt damit eine erste Einschätzung des betroffenen Unternehmens.

Damit zeigt sich auch die Struktur des Ablaufs: Die Analyse schreitet ausgehend vom Branchenvergleich über den Betriebsvergleich zur innerbetrieblichen Kausalanalyse vor.

Methodisch stellt diese Vorgehensweise lediglich die Anforderung, daß die in den Vergleich eingehenden Daten gleichartig ermittelt, den gleichen Zeiträumen entnommen und in gleicher Weise verdichtet sind. Gegebenenfalls lassen sich die Daten einer Branche unter Hinzuziehung weiterer Kriterien wie Rechtsform und Unternehmensgröße weiter einschränken und den Verhältnissen der betrachteten Unternehmung annähern. Auch dies ist wiederum heute schon Realität, wie das vielfältige Programmangebot von Verbänden, Banken und Service-Unternehmen zeigt.

Dem Zeitvergleich wird vorgeworfen, er vergleiche Schlendrian mit Schlendrian.  Dem Betriebsvergleich wird vorgehalten, er vergleiche Unvergleichbares. Über beide Vorwürfe versucht der Normvergleich hinwegzukommen. Es ist der Vergleich der vorgelegten, tatsächlich realisierten Bilanz mit einer prognostizierten, virtuellen Bilanz. Diese virtuellen Bilanzen existieren in unterschiedlichen Varianten:

Je nachdem, welche Art von virtueller Bilanz vorliegt, wird ein Vergleich des Solls mit dem Ist zu unterschiedlichen Aussagen kommen. Der Vergleich der Prognosebilanz mit der realisierten Bilanz zeigt lediglich, ob sich das Unternehmen ähnlich verhalten hat wie in der Vergangenheit. Der Vergleich der tatsächlichen Bilanz mit Planbilanz oder gar Sollbilanz zeigt demgegenüber, ob zielbestimmte Einzeleingriffe im untersuchten Geschäftsjahr bereits die erwarteten Effekte erbracht haben.

Prognosebilanzen werfen erhebliche methodische Probleme auf. Singuläre Abschlußpositionen, das heißt alle Positionen, die nicht "ordentlichen Charakters" sind, lassen sich in aller Regel überhaupt nicht prognostizieren. Die Prognosetechniken selbst sind je nach Bilanzposition höchst unterschiedlich. Nur in wenigen Fällen lassen sich lineare Regressionsrechnungen anwenden. Vielfach werden höchst komplexe Prognoseschritte in Boole`scher Algebra verknüpft.

Der wohl wichtigste Einwand gegen die Verwendung derartiger Soll-Ist-Vergleiche liegt in der mangelnden Akzeptanz dieses Verfahrens in der Praxis. Die Vertreter des klassischen Rechnungswesens denken vergangenheitsorientiert und nicht oder nur ansatzweise zukunftsbezogen. Umgekehrt sind typische Planer nicht gewohnt, die strengen Standards eines in sich abgestimmten Rechnungswesens einzuhalten. Kennzeichnend ist ja auch, daß die Funktionen des Rechnungswesens und des Controlling in aller Regel säuberlich getrennt sind.

Der externe Bilanzanalytiker kennt die zielbestimmten Vorgaben oder die spezifischen Erwartungen nicht, die den Sollbilanzen oder Planbilanzen zugrundeliegen. Er kann lediglich mit Prognosebilanzen arbeiten und kommt aus Unkenntnis über die singulären Eingriffe zu falschen Urteilen. So ist es wohl zu erklären, daß die Erstellung und Analyse von Planbilanzen den großen Durchbruch in der Wirtschaftspraxis noch nicht geschafft hat.

Der Wunsch nach dem verdichteten Urteil:
Die Problematik des Cash Flow

Immer wenn die Analyse in zunehmender Detaillierung unübersichtlich, komplex und allzu reich an Einzelinformationen zu werden droht, kann man mit Sicherheit darauf rechnen, daß der Wunsch nach einer neuen Form der Informationsverdichtung auftaucht. Die Reaktion auf die Kennzahlenflut, die Komplizierung der Kennzahlensysteme und die starke Manipulierbarkeit der Einzeldaten standen Pate bei der Geburt des Cash Flow. Man suchte nach einem Meßwert, der in einer einzigen Kennzahl ein robustes Urteil über Erfolg und finanzielle Sicherheit erlaubt und zugleich möglichst wenig manipulierbar ist. Man glaubte ihn im Cash Flow gefunden zu haben. Ursprünglich handelte es sich tatsächlich um einen finanzwirtschaftlichen Tatbetand, nämlich um den Überschuß der Einzahlungen über die Auszahlungen einer Periode. Da sich aber diese finanzwirtschaftlichen Daten nicht aus dem Jahresabschluß unmittelbar ergeben, mußte der Cash Flow in aufwendigen Verrechnungen bestimmt werden. Entweder setzen derartige Rechnungen wieder an den finanzwirtschaftlichen Urgrößen an und versuchten, die Einzahlungen und Auszahlungen aus der Gewinn- und Verlustrechnung unter Berücksichtigung von Debitoren- und Kreditorenänderungen zu bestimmen. Der einfachere Weg schien die retrograde Rechnung zu sein, bei der man zum Jahresüberschuß wieder die nicht finanzwirksamen Aufwendungen hinzurechnet. Die einfachste Form begnügte sich damit, zum Jahresüberschuß die Abschreibungen und die Zuführungen zu den Pensionsrückstellungen zu addieren.

Inzwischen hat die Diskussion den Stand erreicht, daß man für spezifische bilanzanalytische Zwecke jeweils arteigene Cash Flows bestimmt. So wird etwa für eine Analyse der betrieblichen Ertragskraft ein gesonderter "ordentlicher betrieblicher Cash Flow" ermittelt, in dem alle nicht ordentlichen Aufwands- und Ertragselemente berücksichtigt sind. Andere, eher finanzwirtschaftliche Rechnungen berücksichtigen gesondert die Ausschüttungen und Steuerzahlungen in einem "Netto-Cash-Flow". Wiederum andere Rechnungen, die darauf gerichtet sind, die Krise frühzeitig zu bestimmen, definieren einen "Krisensignalwert" in dem die nicht ordentlichen Aufwendungen und Erträge imparitätisch berücksichtigt werden. Die folgende Abbildung zeigt, wie die Vielfalt der Definitionen in einem modularen Ansatz aufgefangen werden kann.

M1

Jahresüberschuß / Jahresfehlbetrag (§ 275 II Ziff. 20 HGB)
- Erträge aus Verlustübernahme (§ 211 III Satz 2 HGB)
+ auf Grund einer Gewinngemeinschaft, eines Gewinnabführungs- oder
eines Teilgewinnabführungsvertrags abgeführte Gewinne (§ 277 III Satz 2 HGB)
+ Abschreibungen (§ 275 II Ziff. 7 HGB)
+ Zunahme der Pensionsrückstellungen (§ 266 III Ziff. B 1 HGB), ermittelt durch Bildung der Differenz gegenüber dem Vorjahr

A.

"Elementar-Cash Flow"

M 2

- außerordentliche Erträge (§ 275 II Ziff. 15 HGB)
+ außerordentliche Aufwendungen (§ 275 II Ziff. 16 HGB)
- sonstige betriebliche Erträge (§ 275 II Ziff. 4 HGB)

B.

"Ordentlicher Unternehmens-Cash Flow"



M3- Erträge aus Beteiligungen (§ 275 II Ziff. 15 HGB)
- Erträge aus anderen Wertpapieren und Ausleihungen des Finanzanlagevermögens (§ 275 II Ziff. 10 HGB)
- sonstige Zinsen und ähnliche Erträge (§ 275 II Ziff. 11 HGB)
+ Abschreibungen auf Finanzanlagen und auf Wertpapiere des Umlaufvermögens (§275 II Ziff. 12 HGB)
+ Zinsen und ähnliche Aufwendungen (§ 275 II Ziff. 13 HGB)

C.

"Ordentlicher betrieblicher Cash Flow"
M4- Auszuschüttender Betrag (§ 174 II Ziff. 2 AktG) oder andere Formen der Gewinnausschüttung (§ 266 I HGB)

D.

"Ordentlicher betrieblicher Netto-Cash Flow"
M5- Erhöhung der Forderungen aus Lieferungen und Leistungen / 
+ Verminderung (§ 266 II Ziff. B II.1 HGB)
+ Erhöhung der aktiven Rechnungsabgrenzungsposten (§ 266 II Ziff. C HGB)
- Verminderung der passiven Rechnungsabgrenzungsposten (§ 266 III Ziff. D HGB)
- Erhöhung des Bestandes an fertigen und unfertigen Erzeugnissen / 
+ Verminderung (§ 275 II Ziff. 2 HGB)
- aktivierte Eigenleistungen (§ 275 II Ziff. 3 HGB)

E.

"Ordentlicher, finanziell verwendbarer betrieblicher Netto-Cash Flow"



M6

- außerordentliche Aufwendungen (§ 275 II Ziff. 16 HGB)
- Erträge aus Beteiligungen (§ 275 II Ziff. 9 HGB)
- Erträge aus anderen Wertpapieren und Ausleihungen des Finanzanlagevermögens, soweit aus verbundenen Unternehmen (§ 275 II Ziff. 10 HGB)
- sonstige Zinsen und ähnliche Erträge, soweit aus verbundenen Unternehmen (§ 275 II Ziff. 11 HGB)
+ Steuern vom Einkommen und vom Ertrag (§ 275 II Ziff. 18 HGB)

"Krisensignalwert"

Da der Cash Flow als absolute Zahl wenig sagt, muß er auf andere Bilanzpositionen bezogen werden. Erfolgswirtschaftliche Analyseabsichten bestimmen so einen Cash Flow in Prozent des Umsatzes oder des Eigenkapitals. Finanzwirtschaftlich orientierte Analysen beziehen den Cash Flow auf Investitionen oder auf das Fremdkapital.

Der Wunsch nach Verdichtung der Analyse in einem einzigen Urteil führt also genau gesehen wiederum zu einer erneuten Komplizierung. Einige dieser Kennzahlen scheinen sich im praktischen Einsatz zu bewähren, wenn man die Häufigkeit ihrer Erwähnung in der Wirtschaftspresse und in einzelnen Geschäftsberichten betrachtet. Gewisse Tendenzen der Standardisierung waren dabei auch erfolgreich. Unbestritten ist indessen keiner dieser Versuche geblieben.

Insolvenzprognosen mit Diskriminanzfunktionen

Die Prognosetechnik hat sich im folgenden unterschiedlich entwickelt. Die Vorhersage von Unternehmenskrisen oder sogar von Insolvenzen schien nicht nur dringlicher, sondern auch leichter möglich als die Vorhersage von Erfolg und Spitzenleistung. Das lag nicht zuletzt daran, daß der Krisenzustand eindeutiger definiert ist: Die Krise endet mit der Insolvenz. Ihr vorgelagert sind Sanierungsversuche. Diesen wiederum gehen zahlreiche kritische Beobachtungen voran, die als Frühwarnsignale interpretiert werden können. Gesucht wurde also ein Verfahren, das in der Lage sein soll, das Eintreten einer präzise definierbaren Krise möglichst frühzeitig vorherzusagen.

Versuche, einzelne Kennzahlen für einen derartigen prognostischen Auftrag einzusetzen, führten zu einem wenig befriedigenden Ergebnis. Viele empirische Versuche haben uns in der Gewißheit bestärkt, daß wenigstens 35 % der Krisenfälle nicht mit univariaten Tests vorhersagbar sind, auch wenn man eigens für diesen Test konstruierte Kennzahlen, wie z.B. den "Krisensignalwert", wählt. Ursächlich für diese unbefriedigende Prognoseleistung ist die Komplexität des zu prognostizierenden Ereignisses. Krisen ereignen sich nämlich aus dem Zusammenwirken mehrerer Ursachen. Und jede dieser Ursachen wird offenkundig durch eine arteigene Kennzahl signalisiert. Damit steht man an der Schwelle einer Prognose mit multivariaten Verfahren. Die folgende Abbildung gibt einen Eindruck von der Vielfalt der Versuche, mit Hilfe von unterschiedlichen Verfahren eine treffsichere Prognose von Krisen zu ermöglichen

Autor (Jahr)AnwendungsbereichVerfahrenTrefferquote
Frydman, H. /
Altman, E. I. /
Kao, D.-L. (1985)
InsolvenzprognoseRekursive Partitionierung (RPA) mit 6 Kennzahlen71-92 % in Abhängigkeit von den vorgegebenen Kosten einer Fehlklassifikation
Peel, M. J. / 
Peel, D. A. (1988)
InsolvenzprognoseMultinominale Logit-Analyse (MLA) mit 3 Kennzahlen87,6 % im 2-Gruppenfall
Feidicker, M. (1992)KreditwürdigkeitsprüfungLineare DA mit 4 Kennzahlenum 80 %
Leker, J. (1993)Fraktionierende Krisendiagnose Multiple lineare DA mit 4 Kennzahlen78-80 % im 2-Gruppenfall
Krause, C. (1993) Kreditwürdigkeitsprüfungversch. NN mit 4-73 KennzahlenAlpha-Fehler: 8,7 % (fixiert)
Beta-Fehler: um 41 %
Rommelfanger, H. (1993)KreditwürdigkeitsprüfungExpertensystem mit Fuzzy-SetsKeine Angaben
Kerling, M. / 
Poddig, T. (1994)
KreditwürdigkeitsprüfungMultilayer-Perceptron (NN) mit 4-11 Kennzahlen85-89 %
DA = Diskriminanzanalyse, NN=Neuronales Netz

Hier wollen wir uns auf ein einziges Verfahren konzentrieren, die Insolvenzdiagnose auf der Basis von Diskriminanzanalysen. Hierbei handelt es sich um ein multivariates statistisches Verfahren, das im Ergebnis eine Diskriminanzfunktion ermittelt, die die Unterschiede zwischen zwei Gruppen von Unternehmen (solvente versus insolvente) ermittelt. Zur Gewinnung einer Diskriminanzfunktion geht man in folgenden Schritten vor:

Die folgende Abbildung veranschaulicht die Grundstruktur einer derartigen Diskriminanzfunktion.

Z = ax1 + bx2 + cx3

mit

   x1 : betriebliche Rendite
   x2 : Verschuldungsgrad
   x3 : Umschlagdauer des Umlaufvermögens

Bis zu diesem Schritt beschreibt das Verfahren lediglich die Klassifikation von zwei gegebenen Stichproben. In der praktischen Anwendung werden in die so gefundene Formel die Werte anderer Unternehmen eingesetzt, die nicht in den Untersuchungsgruppen enthalten sind. Es wird ein jeweils unternehmensspezifischer Diskriminanzwert ermittelt und mit dem angegebenen cut-off-point verglichen. Dieser Vergleich ermöglicht eine Aussage über die Krisengefährdung des analysierten Unternehmens.

Das Verfahren der Diskriminanzanalyse mit dem Ziel der Krisendiagnose wurde bereits in einer kaum noch überschaubaren Zahl von empirischen Untersuchungen überprüft. Faßt man die Ergebnisse zusammen, so zeigt sich,

In der Praxis werden Diskriminanzfunktionen zur Krisendiagnose insbesondere von Banken im Bereich der Kreditwürdigkeitsprüfung im Firmenkundengeschäft eingesetzt. Die im folgenden präsentierte Diskriminanzfunktion entstammt einem Forschungsprojekt, das wir mit einer deutschen Großbank durchgeführt haben. Der cut-off-point liegt bei Null.

Z = 0,6682 + 0,0373 x1 - 0,4072 x2 - 0,0230 x3

mit

   x1 : (Brutto-Cash-Flow / mittel- und langfristiges Fremdkapital) x 100
   x2 : (12 x Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen) / Leistung
   x3 : (nicht ordentlicher Aufwand / Leistung) x 100

Die multivariate Verknüpfung der Kennzahlen ist so zu interpretieren, daß insbesondere ein Abwärtstrend des Cash Flow bei steigender Verschuldung sowie eine Verlängerung des Lieferantenziels die Insolvenz frühzeitig diagnostiziert. Es ist interessant, daß der Ausweis von Sonderabschreibungen und außerordentlichen Aufwendungen ein weiteres Krisensignal gibt - allerdings mit einer merklich geringeren Bedeutung.

Gegen das Verfahren der Diskriminanzanalyse wird eine Reihe von Einwendungen geltend gemacht. Wir wollen diese Kritik und die hieraus resultierenden Systementwicklungen abschließend beleuchten:

Expertensysteme und Expertisesysteme

Für die tiefergehenden Analysen bieten sich sogenannte Expertensysteme an, die in einem computergestützten Dialog den Entscheidungs- und Beurteilungsprozeß eines Expertenkollegiums abbilden und so eine Verknüpfung von Jahresabschlußanalysen und anderen wichtigen Unternehmensdaten erlauben. Die Arbeitsweise eines Expertensystems folgt in der Regel dem nachfolgenden Schema:

Trotz der augenscheinlichen Vorteile dieser Expertensysteme sind ihr Einsatz und ihre Akzeptanz in der Krisendiagnose nur sehr zögernd vorangekommen. Der Grund für diese Zurückhaltung liegt in erster Linie darin, daß gegen die Gewinnung des Expertenwissens Einwände erhoben werden. Eine professionelle Mobilisierung des Expertenwissens oder gar seine empirische Prüfung finden in der Regel nicht statt.

Sollte dieser derzeit noch gültige Einwand überwunden werden, scheint die Verknüpfung von automatisch vorsortierenden Klassifikationsverfahren und dialogführenden Expertensystemen eine vielversprechende Weiterentwicklung der vorhandenen Systeme zu sein. Die Stärken beider Ansätze könnten sinnvoll kombiniert werden.

Trotz ihres sehr ähnlich klingenden Namens liefern Expertisesysteme etwas anderes: Sie bieten eine verbale Darstellung des Analyseergebnisses. Sie verzichten dabei nicht auf Tabellen, aber sie geben dazu schriftliche Erläuterungen. Sie kommen damit der Informationsnachfrage typischer Analytiker in hohem Maße entgegen. Das ist nur möglich, wenn die Analyse einem festen Regelkonzept folgt, kritische Grenzwerte vorgegeben werden und eine gewisse Verarmung der Semantik und Syntaktik toleriert wird. Diese Verarmung ist aber nicht nur negativ zu interpretieren. Maschinell erzeugte Bilanzanalysen in schriftlicher Form haben zumindest den Vorteil, daß die in ihnen enthaltenen Begriffe und ihre Verknüpfungen eindeutig sind und sich damit unzweifelhaft interpretieren lassen. Expertisesysteme liefern insoweit auch nicht manipulierbare, nicht durch Euphemismen und ambivalente Begriffe verschönerte Darstellungen. Die folgende Darstellung zeigt einen Ausschnitt aus einer derartigen, maschinell erstellten Expertise.

 
ÜBERBLICK ZUR WIRTSCHAFTLICHEN LAGE
FÜR DIE DECKEL AG

Berichtszeitraum: vom 01.01.88 bis 31.12.88 
Vergleichszeitraum: vom 01.01.87 bis 31.12.87

A. ERFOLGSLAGE

Das Ergebnis der GuV ist von TDM 7.830 um 70,64 % auf TDM 2.299 gesunken. Zuzüglich Steuern vom Einkommen und vom Ertrag sowie Zinsaufwendungen ergibt sich ein Erfolg, der sich von TDM 26.119 um 40,58 % auf TDM 15.520 ebenfalls vermindert hat.

Alle drei Erfolgsquellen sind positiv, dabei leistet der ordentliche Bereich den größten Ergebnisbeitrag, innerhalb des ordentlichen Ergebnisses der Betriebsbereich. Der Erfolg im Vergleichszeitraum resultiert hauptsächlich aus dem ordentlichen Bereich und hier aus dem Betriebsbereich.

Die Gesamtkapitalrendite, die als Verhältnis des Erfolgs zur Bilanzsumme errechnet wird, liegt unter dem Vergleichswert.

B. FINANZLAGE

1. Mittelherkunft und -verwendung

Per Saldo liegt eine Eigenmittelmehrung vor, die zusammen mit der Fremdmittelaufnahme in den Aufbau von Vermögen investiert wurde.

Bei getrennter Betrachtung resultiert die Mittelherkunft weit überwiegend aus Fremdmittelaufnahme, während Vermögensabbau und Eigenmittelmehrung nur geringe Beiträge leisten. Die Eigenmittelmehrung besteht überwiegend aus dem finanzwirksamen Ergebnis, außerdem aus der Zuführung von Außenmitteln.
...

Fazit

Ganz unstrittig hat also die Bilanzanalyse technisch gesehen einen erheblichen Fortschritt genommen, wenn man nicht gar von einem Fortsprung sprechen will. Ist damit bereits eine schöne neue Welt realisiert?

Bilanzanalysen und -prognosen sind so gut oder so schlecht wie die Urdaten, die ihnen zugrundeliegen. Es liegt in der Natur der Sache, daß Bilanzdaten mit allen Problemen behaftet sind, die aus der Tatsache resultieren, daß Bilanzen und Bilanzaussagen auf subjektiven Schätzungen beruhen und von subjektiven Interessen geprägt sind. Hinzu kommt, daß sachfremde Erwägungen, wie etwa Interessen der Steuervermeidung, den Abbildungsauftrag der Bilanz immer wieder stören.

Die Bilanzanalyse scheint - wie viele Betrachtungsobjekte der Betriebswirtschaftslehre - ein Verfahren zu sein, daß sich auf die große, konzernfreie Kapitalgesellschaft beschränkt. Konzernbilanzen lassen sich mit den geschilderten Instrumenten nicht analysieren. Sie bieten eine so vielfältige Möglichkeit der Verschleierung von Bilanzaussagen, daß man Konzernbilanzen mit ganz andersartigen Instrumenten aufschlüsseln muß, um zunächst einen Eindruck vom Publizierungs- und Kaschierungsverhalten zu gewinnen.

Personengesellschaften werden traditionell aus der Betrachtung der Betriebswirtschaftslehre ausgeblendet. Spezifische Instrumente zur Analyse von Bilanzen der Personengesellschaften fehlen bisher.

Neben diese Kritik an der Datenbasis tritt die Kritik an den theoretischen Fundamenten der Bilanzanalyse. Der Vorwurf, den Bilanzkennzahlen fehle es an einer theoretischen Herleitung, namentlich aus der Theorie des Kapitalmarktes, trifft nicht schon deshalb zu, daß man ihn ständig wiederholt. Nach unserer Auffassung liegt die Problematik woanders: Für die theoretische Fundierung von Unternehmenserfolg und Unternehmenskrise werden unterschiedliche Theorien benötigt. Die theoretische Fundierung von Unternehmenskrisen, von Verhalten in krisenhaften Situationen und von der Abbildung der Krise in der Bilanz ist dabei weiter fortgeschritten als die Theorie der Erfolgsfaktoren.

Diese kurzen Überlegungen zeigen aber eines: Die technische Perfektionierung der Bilanzanalyse kann kein Selbstzweck bleiben. Sie ist nur gerechtfertigt, wenn die theoretische Erklärung zum Auftreten und Erscheinungsbild von Unternehmenskrisen mit ihr Schritt hält.

Autor

Prof. Dr. Jens Leker
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