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von Dr. Laurenz Andrzejewski
Egal wie man es nennt – Personalabbau, Entlassung, Downsizing, Kündigung – es geht um eine Krise des Systems und eine Krise eines oder mehrerer Menschen in diesem System. Diese Krise mobilisiert Energien, die ihrerseits innerhalb des Systems und in dessen Umfeld etwas in Bewegung setzen. Dadurch entsteht eine Dynamik, deren Verlauf, Richtung und Heftigkeit in der Regel nicht absehbar und kaum planbar sind. Auch wenn eigentlich jeder Mensch Krisen als sehr "unkomfortabel" empfindet, weiß man doch, dass eine Entwicklung und Verbesserung eines Systems oft erst durch eine Krise in Gang gesetzt wird.
Das Verständnis der Abläufe und der Dynamik eines Trennungsprozesses trägt bereits viel zur qualitativen Verbesserung der Handhabung von Trennungen bei. Zudem trägt eine vorausschauende, durchdachte Planung dazu bei, dass grobe Fehler in Trennungsprojekten vermieden und erfolgskritische Passagen unbeschadet überwunden werden. Der Ausgang von Reorganisation und Downsizing, der Erfolg von Aufhebungsverhandlungen, das Ergebnis von Neuorganisation im Team hängen maßgeblich von einer durchdachten, professionellen Vorbereitung, Durchführung und Nachsorge des gesamten Projektes und des einzelnen Trennungsgespräches ab.
Nachfolgende Ausführungen mögen Sie bei einem professionellen Projektmanagement unterstützen. Ganz gleich, ob Sie ein großes Projekt der Reorganisation oder eine einzelne Trennung wegen Minderleistung vorzubereiten haben. Unsere Workshop-Teilnehmer sind immer wieder überrascht über die Komplexität der Materie und den Facettenreichtum der vorzubereitenden Aufgaben. Einige Akteure hatten die Vorbereitungsphase gänzlich überspringen wollen, andere hatten nicht bedacht, dass es noch eine Zeit nach den Gesprächen gibt. Das darf Ihnen nicht passieren. Im Groben sieht der Ablauf etwa wie folgt aus.
Abbildung 1: Ablauf des Trennungsprozesses aus organisatorischer Sicht
Nach dem Motto "Erst denken, dann handeln!" können Sie jeden einzelnen Schritt nachvollziehen, für Ihr Unternehmen übersetzen und organisiert durchführen. Allein die Reflexion der Chronologie, die Klärung offener Fragen, die Einsicht der Akten, die Abstimmung der Strategie und Argumentation und die gedankliche Vorwegnahme der einzelnen Schritte trägt maßgeblich dazu bei, dass sowohl die von Trennung direkt betroffenen Mitarbeiter als auch die Bleibenden die Art und Weise von Trennungen als human, fair und durchdacht empfinden.
Schritt 1: Definition der Ziele (Objectives) und Visionen (Shared Visions) - Hierbei geht es um die schriftliche Ausarbeitung der Projektziele. Diese fließen später beispielsweise in die Trennungsbegründung gegenüber den Betroffenen und die Argumentation zur Neuausrichtung gegenüber den Verbleibenden ein. Es reicht nicht, als Sinn und Zweck des Personalabbaus eine "Kostenreduktion" oder die "Verbesserung der Rentabilität" anzugeben. Beispiele für die Definition sind:
Schritt 2: Definition des Rahmens und Volumens (Scope) - Hier werden die Eckdaten, auf die sich das Projekt bezieht, festgelegt. Dies können sein:
Schritt 3: Definition der einzelnen Maßnahmen (Approach) - Hier wird die Art und Weise, in der das Projekt "Trennung" geplant und abgearbeitet werden soll, festgeschrieben. Jeder einzelne Schritt wird beschrieben und Zuständigkeiten werden festgelegt.
Schritt 4: Festlegung der Meilensteine (Time Line) - Entsprechend dem "kritischen Pfad" werden die Knotenpunkte und gegenseitigen Abhängigkeiten transparent gemacht, Sitzungstermine festgelegt, Kontrolltermine definiert.
Schritt 5: Definition des finanziellen Rahmens (Finance, Budget) - Realitätsnah werden die Kosten für die einzelnen Schritte und Maßnahmen errechnet, Budgets definiert und genehmigt.
Schritt 6: Festlegung der Projektorganisation (Tracking, Processing) - Idealerweise wird ein "Steering Commitee" – wir nennen es gerne "Trennungskomitee" – benannt und installiert. Dieses Komitee muss in die Architektur des Unternehmens passen und mit den entsprechenden Ressourcen und Kompetenzen ausgestattet werden.
Bei ganzheitlicher Betrachtung eines Um- und Abbauprojektes fällt auf, dass es in aller Regel nicht nur um Trennung von Mitarbeitern geht, sondern gleichzeitig um Neuzuschnitt von Aufgaben und Gebieten, die zwangsläufig Versetzungen nach sich ziehen. Und ebenso gleichzeitig gilt es, die neuen Teams "schlagkräftig" aufzustellen, wie es heißt. Dazu sind auch Qualifizierungen notwendig. Und um der Realität Rechnung zu tragen: Vielleicht folgt auf eine Qualifizierung unmittelbar die Versetzung an die neue, anspruchsvollere Stelle.
Es gilt also in einer professionellen Planung weit vorausschauend darum, die Aspekte "Trennung", "Versetzung" und "Qualifizierung" im Kopf zu haben. Dies bedeutet auch, die Themen "Trennung", "Bindung" und "Motivation" im Blick zu behalten.
Abbildung 2: Projektplanung für qualitativen Personalumbau
Da bei jedem Um- und Abbau auch Rochaden an der Tagesordnung sind, sind selbst die "nicht betroffenen Bereiche" massiv betroffen. Nicht selten kommt es gerade dort zu erheblichen Unruhen – und Spontankündigungen von Leistungsträgern. Die Themen "Mitarbeiterbindung" und "Mitarbeitermotivation" haben also bereits in der frühen Planungsphase einen immens hohen Stellenwert.
Aus dem ergibt sich: Im Sinne des professionellen Trennungsmanagements erscheint es zwingend notwendig, die Themen "Reorganisation", "Organisationsentwicklung" und "Personalentwicklung" bereits in der Planung eines Um- oder Abbau-Projektes zu verknüpfen. Sollten verschiedene Bereiche des HR-Managements an den Themen arbeiten, gilt es, diese zu koordinieren. Denn, wiederum mit dem Blick auf das Ziel – faire Trennung, kraftvoller Neubeginn – gilt es, gleichzeitig alle drei Themen (Trennen, Halten, Motivieren) im Blick zu behalten.
Dieser Beitrag wurde - mit freundlicher Genehmigung des Verlages - der folgenden Publikation auszugsweise entnommen:
Laurenz Andrzejewski / Hermann Refisch, |
Dr. Laurenz Andrzejewski |
Erstveröffentlichung im Krisennavigator (ISSN 1619-2389):
18. Jahrgang (2015), Ausgabe 7 (Juli)
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Letzte Aktualisierung: Dienstag, 10. Dezember 2024
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