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von Dr. Volkhard Emmrich
Will ein Unternehmen auch in Zukunft erfolgreich sein, muss einiges zusammenpassen: Strategie und Geschäftsmodell, Frontend und Backend, Wertschöpfung und Kundenanforderungen, Daten und Prozesse und nicht zuletzt Finanzierung und Bilanz. Ist dies nicht der Fall, laufen die Kosten aus dem Ruder, die Effizienz ist zu gering, die Bestände zu hoch. Die Verluste werden mit Krediten finanziert – das Unternehmen hat zu viele Schulden, sie passen nicht "zum Geschäft".
Doch selbst nach einer erfolgreichen leistungswirtschaftlichen Restrukturierung bleibt häufig ein "Rucksack" in der Bilanz. Die Kredite, mit denen die Verluste aber auch die Restrukturierungsmaßnahmen finanziert wurden, sind zu bedienen – obwohl sie für das Geschäft nicht notwendig sind. Das Ergebnis: Ein "Zombie"-Unternehmen, das zwar leistungswirtschaftlich saniert, aber bilanziell schwach ist. Es schleppt zu viele Altlasten mit sich, ist aber (noch) nicht insolvenzreif.
Mit der neuen Regelung des präventiven Restrukturierungsrahmens im Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) hat der Gesetzgeber zum 01. Januar 2021 Instrumente geschaffen, um damit frühzeitig, vorausschauend und vielfach besser umzugehen.
Der bisherige Weg zum Ziel: Eine Planung, in der der Finanzbedarf abgeleitet, so lange gerechnet und Maßnahmen definiert wurden, bis am Ende die Kennzahlen stimmten. So war die Refinanzierungsfähigkeit wenigstens auf dem Papier gewährleistet. Eingriffe in die Vertragsverhältnisse waren bisher tabu, oder besser gesagt, den unterschiedlichen Insolvenzverfahren vorbehalten.
Damit ist jetzt ein Stück weit Schluss – zumindest was Finanzierungsverträge betrifft. Das Restrukturierungsverfahren gemäß StaRUG erlaubt nämlich ohne Insolvenz und bereits bei einer neu und sehr weit gefassten "drohenden Zahlungsunfähigkeit" die Bilanz zu restrukturieren. Entsprechend können Altlasten der Passivseite ohne öffentlichkeitswirksame Insolvenzverfahren intelligent und zukunftsorientiert behandelt werden.
Voraussetzung und entscheidender Erfolgsfaktor: Vergleichsrechnungen, die zeigen, dass keine Alternative wirtschaftlich sinnvoller ist. Das heißt, auch bei einem positiv, also mit Fortführungswerten bewerteten Insolvenzverfahren, stellt sich kein Gläubiger besser. Zu berücksichtigen ist ferner, dass das Verfahren durchfinanziert sein muss. Die Betrachtungen der Vergleichsrechnungen müssen also das kurze wie das lange Ende gleichermaßen abbilden und bewerten.
Das StaRUG bringt für den Chief Financial Officer (CFO) zusätzliche Pflichten – mit erheblichen Auswirkungen auf seine Haftungsrisiken. Ursache hierfür ist die neu befristete und neu ausformulierte drohende Zahlungsunfähigkeit. Diese tritt ein, wenn die Durchfinanzierung des Unternehmens nicht für zumindest 24 Monate mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gegeben ist.
Klingt einfach, umfasst in der Praxis aber konkret die Refinanzierungsfähigkeit aller endfälligen Darlehen, also auch von Anleihen, Schuldscheinen und von Mezzaninekapital. Zu bewerten sind zudem alle Vertrags- und sonstigen Risiken mit Liquiditätswirkung. Dazu gehören z.B. Prozessrisiken, mögliche Forderungsausfälle aber auch Veränderungen der Limite der Warenkreditversicherung (WKV).
Bei fehlender oder unzureichender Dokumentation läuft vor allem der CFO – natürlich ex post betrachtet wie bei Anfechtungen üblich – Gefahr, für Schäden der Gesellschaft und der Gläubiger in Anspruch genommen zu werden. Zudem ist der CFO zur Implementierung eines Krisenfrühwarnsystems inklusive Nachweis, wie Reaktionen abgeleitet und umgesetzt werden, verpflichtet. Organe, aber auch Gesellschafter, tun also gut daran zu verinnerlichen, dass die Durchfinanzierung bereits jetzt für zumindest 2021 und 2022 sicherzustellen ist.
Die ursprünglich in § 2 und § 3 des StaRUG ausformulierten Folgen einer Pflichtverletzung sind im Ausschuss in der letzten Runde gestrichen worden. Doch Achtung: Dies erfolgte nur, weil die Haftung an anderer Stelle ausreichend geregelt ist und der Gesetzgeber Redundanzen vermeiden wollte.
Erfolgreiche Unternehmen müssen verinnerlichen: Die Veränderung der rechtlichen Rahmenbedingungen durch das StaRUG trifft nicht nur "Krisenfälle" und Restrukturierungskandidaten. Auch sie müssen die Durchfinanzierung nachweisen bzw. dokumentieren. Aufgabenschwerpunkte und Arbeitsalltag der CFO werden sich also überall deutlich verändern:
Diese Schritte sind periodisch in den Aufsichtsorganen zu diskutieren, mit den Gesellschaftern bzw. ihren Vertreter abzustimmen und entsprechend zu dokumentieren.
Detaillierte Analysen der Vergangenheit machen nicht deutlich, wie ein Zukunftsbild aussehen kann und wie mit den Fähigkeiten des Unternehmens die Anforderungen von Markt und Kunden bestmöglich abgedeckt werden können. Deshalb ist ein nach vorne gerichteter Ansatz zu verfolgen, in dem folgende zentrale Fragen beantwortet werden:
Abbildung 1: Restrukturierung unter dem StaRUG
Szenarien und Optionen müssen frühzeitig entwickelt, Haftungsrisiken, aber auch Handlungsoptionen und Perspektiven bewertet werden. Entscheidend für den Erfolg des Unternehmens ist das Know-how- und das Erfahrungs-Mix des externen Beraters. Er muss ausgeprägte Sanierungserfahrung haben und vor allem professionellen Umgang mit den Financials für die Szenarienbetrachtung mit echter Insolvenzerfahrung matchen. Sonst wird zu schnell in Zerschlagungsszenarien gedacht, was der Praxis in keiner Weise gerecht wird.
Entscheidend ist, notwendige und sinnvolle Optionen zu entwickeln und zu bewerten, überzeugende und aussagefähige Vergleichsrechnungen durchzuführen, alle Stakeholder zum richtigen Zeitpunkt richtig abzuholen und Unternehmen auf dem Restrukturierungspfad sach- und fachkundig zu begleiten. Dabei ist es egal, ob eine freie Restrukturierung, ein formales Restrukturierungskonzept (BGH, S6), ein Restrukturierungsplan (StaRUG) oder eines der Insolvenzverfahren das richtige Instrument zur Problemlösung ist. Die Planungen und Financials müssen dabei alle Ansätze umspannen und überleitbar sein.
Werden letztlich alle Ergebnisse übereinandergelegt, wird so sofort deutlich, wo ein "Fit" besteht, was wirtschaftlich Sinn macht und woraus ein tragfähiges Zukunftsbild gebaut werden kann - aber auch was künftig nicht mehr funktioniert. Dabei geht es stets um Fakten, um klare und schnelle Weichenstellungen, nicht um Meinungen.
Dr. Volkhard Emmrich |
Erstveröffentlichung im Krisennavigator (ISSN 1619-2389):
24. Jahrgang (2021), Ausgabe 1 (Januar)
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Letzte Aktualisierung: Dienstag, 10. Dezember 2024
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