Ein Spin-Off der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
27. Jahrgang (2024) - Ausgabe 10 (Oktober) - ISSN 1619-2389
 

Sanierung und Abwicklung in der Insolvenz

Rezension von Guido Stephan

Die Autoren des Werkes "Sanierung und Abwicklung in der Insolvenz" (herausgegeben von Matthias Beck und Thomas Möhlmann) haben sich vorgenommen, in ihren Beiträgen eine Bestandsaufnahme des neuen Insolvenzrechts durchzuführen. Das Besondere und Spannende an diesem Buch ist, daß sich mit diesem Thema Juristen und Betriebswirte gleichermaßen befaßt und die Fragen interdisziplinär beleuchtet haben. Das Nutzbringende für den Leser ist jedoch, daß sämtliche Autoren nicht bei der Bestandsaufnahme geblieben sind, sondern in ihren Beiträgen praktische Lösungsvorschläge entwickelt haben.

Das Werk gliedert sich in drei Teile. Im ersten Teil mit dem Titel "Die Auslösung des Insolvenzverfahrens durch Überschuldung" behandeln Beck und Möhlmann die Anlässe und Ausgestaltung der Fortführungsprognose. Von besonderem Interesse sind hier die Ausführungen zu der Frage, wann eine Überschuldungsprüfung und damit eine Fortbestehensprognose zu erstellen ist. Da die durch das Vorliegen einer bilanziellen Überschuldung auszulösende Überschuldungsprüfung in der Regel zu spät erfolgt, um eine Sanierung des Unternehmens und Befriedigungsquoten für die Gläubiger zu ermöglichen, plädieren die Autoren für eine Vorverlagerung der Überschuldungsprüfung. Sie schlagen vor, die Erstellung einer Überschuldungsprüfung dann als zwingend anzusehen, sobald Verluste in Höhe des hälftigen Grund- bzw. Stammkapitals aufgelaufen sind.

Die "Probleme des Überschuldungsstatus" behandelt Veit, Inhaber des Lehrstuhls für Rechnungswesen am Institut für Betriebswirtschaftslehre der Universität Kiel. Er setzt sich in seinem Beitrag eingehend mit den im Laufe der Zeit entwickelten unterschiedlichen Konzepten der Überschuldungsmessung auseinander und setzt diesen ein eigenes an praktisches Erfordernissen orientiertes Konzept entgegen.

Dem Thema "Forderungsverzicht, Rangrücktritt und Erfüllungsübernahme zur Abwendung der Überschuldung" widmet sich Meyer, der informativ die Wege aufzeigt, durch die eine Überschuldung ohne die Zufuhr liquider Mittel überwunden werden kann. Er zeigt die rechtliche Ausgestaltung und die bilanziellen Wirkungen der unterschiedlichen Sanierungsmittel exemplarisch an einer GmbH auf.

Während im ersten Teil des Bandes die "Überschuldung" im Mittelpunkt stand, befaßt sich der zweite Teil mit den Akteuren und ihren Rollen im Insolvenzverfahren. Littkemann und Madrian untersuchen in ihrem Beitrag mit dem Titel "Die Rolle des Insolvenzverwalters aus der Perspektive des Prinzipal-Agenten-Ansatzes", inwieweit sich die Stellung und die Aufgaben des Insolvenzverwalters durch die neue Insolvenzordnung geändert haben. Besondere Aktualität erhält dieser Beitrag durch die gerade stattfindende Diskussion um die Bestellung und Abwahl des Insolvenzverwalters. Die Untersuchung der Rolle des Insolvenzverwalters auf der Grundlage des der Betriebswirtschaftslehre entnommenen Prinzipal-Agenten-Ansatzes führt zu Einsichten, die die bislang nur einseitig juristisch geführte Diskussion bereichern kann.

Die Gläubigerrolle wird in dem Beitrag "Die Behandlung notleidender Kreditengagements bei drohender und eingetretener Insolvenz - Chancen und Risiken für Banken" von Möhlmann untersucht. Er setzt sich mit der Frage auseinander, welche Form der Sanierung - gerichtliche oder außergerichtliche - die kreditgebende Bank favorisieren soll. Er zeigt die in den unterschiedlichen Zeitpunkten bestehenden Chancen und Risiken auf.

Schließlich ist in dem Beitrag von Leker "Der Unternehmer als Schuldner in der Insolvenz" der unternehmerisch handelnde Schuldner Mittelpunkt der Untersuchung. Den Schwerpunkt des Beitrags bildet die Rolle des Schuldners, dem durch das neu geschaffene Institut der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren Raum für eine unternehmerische Tätigkeit eingeräumt wird. Mit Erkenntnissen der empirischen Krisenforschung arbeitet Leker Kriterien heraus, bei deren Vorliegen dem Schuldner die Eigenverwaltung ermöglicht werden soll. Diese Ausführungen sind nicht nur für den Insolvenzrichter hilfreich, der Schwierigkeiten hat, mit dem neuen Institut der Eigenverwaltung umzugehen. In dem aufgezeigt wird, in welchen Fällen eine Eigenverwaltung sinnvoll ist, stärken sie auch dieses neue Institut und fördern damit auch "eine neue Insolvenzkultur".

Der dritte Teil des Bandes ist den Erfahrungsberichten vorbehalten. Unter der Überschrift "Die Erwartungen des Gesetzgebers im Spiegel der Realität - erste Erfahrungen" stellen die Amtsrichter Hinkelmann und Evers ihre Erfahrungen mit dem Insolvenzeröffnungsverfahren, dem eröffneten Regelinsolvenzverfahren und dem Verbraucher- und Kleininsolvenzverfahren dar. Besondere Aktualität erhalten diese Beiträge durch den gerade vorgelegten Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung der Insolvenzordnung. Die Verfasser zeigen die Schwachstellen auf, die auch teilweise in dem Gesetzentwurf zur Änderung der Insolvenzordnung aufgegriffen worden sind. Sie bewerten das Regelinsolvenzverfahren als ein brauchbares Verfahren, das jedoch in einzelnen Punkten weiterer Verbesserungen bedarf. Dagegen sind sie der Auffassung, daß das Verbraucherinsolvenzverfahren wesentlich umgestaltet werden müsse. Ihre Vorschläge hierzu, insbesondere im Hinblick auf die Bewertung des außergerichtlichen und gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens, stehen teilweise im Widerspruch zu den Absichten des Gesetzgebers, die in dem neuen Gesetzesentwurf zum Ausdruck gekommen sind. Insoweit bereichern ihre Empfehlungen die Diskussion um eine Reform des Verbraucherinsolvenzverfahrens.

Die Darstellung der einzelnen Beiträge zeigt die Vielfalt und die unterschiedlichen Ansätze, die dieses Werk für alle, die sich mit dem Thema "Insolvenz" beschäftigen, so lesenswert macht. Da sämtliche Beiträge Anregungen, Vorschläge und Lösungswege aufzeigen und sich nicht auf eine beschreibenden Betrachtung beschränken, wird das Werk einen wichtigen Beitrag in der Diskussion um das neue Insolvenzrecht leisten.

Matthias Beck / Thomas Möhlmann (Hrsg.),
Sanierung und Abwicklung in der Insolvenz:
Erfahrungen, Chancen, Risiken,
Verlag Neue Wirtschafts-Briefe, Herne, 2000,
225 Seiten, EUR 39.00,
ISBN 3-482-51461-5

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 Über den Rezensenten

Der Rezensent, Guido Stephan, ist Richter am Amtsgericht Darmstadt (Deutschland) - Insolvenzgericht. E-Mail: inso@guido-stephan.de.

Erstveröffentlichung im Krisennavigator (ISSN 1619-2389):
3. Jahrgang (2000), Ausgabe 10 (Oktober)


Vervielfältigung und Verbreitung - auch auszugsweise - nur mit ausdrücklicher
schriftlicher Genehmigung des Krisennavigator - Institut für Krisenforschung, Kiel.
© Krisennavigator 1998-2024. Alle Rechte vorbehalten. ISSN 1619-2389.
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Sanierung und Abwicklung in der Insolvenz

Rezension von Guido Stephan

Die Autoren des Werkes "Sanierung und Abwicklung in der Insolvenz" (herausgegeben von Matthias Beck und Thomas Möhlmann) haben sich vorgenommen, in ihren Beiträgen eine Bestandsaufnahme des neuen Insolvenzrechts durchzuführen. Das Besondere und Spannende an diesem Buch ist, daß sich mit diesem Thema Juristen und Betriebswirte gleichermaßen befaßt und die Fragen interdisziplinär beleuchtet haben. Das Nutzbringende für den Leser ist jedoch, daß sämtliche Autoren nicht bei der Bestandsaufnahme geblieben sind, sondern in ihren Beiträgen praktische Lösungsvorschläge entwickelt haben.

Das Werk gliedert sich in drei Teile. Im ersten Teil mit dem Titel "Die Auslösung des Insolvenzverfahrens durch Überschuldung" behandeln Beck und Möhlmann die Anlässe und Ausgestaltung der Fortführungsprognose. Von besonderem Interesse sind hier die Ausführungen zu der Frage, wann eine Überschuldungsprüfung und damit eine Fortbestehensprognose zu erstellen ist. Da die durch das Vorliegen einer bilanziellen Überschuldung auszulösende Überschuldungsprüfung in der Regel zu spät erfolgt, um eine Sanierung des Unternehmens und Befriedigungsquoten für die Gläubiger zu ermöglichen, plädieren die Autoren für eine Vorverlagerung der Überschuldungsprüfung. Sie schlagen vor, die Erstellung einer Überschuldungsprüfung dann als zwingend anzusehen, sobald Verluste in Höhe des hälftigen Grund- bzw. Stammkapitals aufgelaufen sind.

Die "Probleme des Überschuldungsstatus" behandelt Veit, Inhaber des Lehrstuhls für Rechnungswesen am Institut für Betriebswirtschaftslehre der Universität Kiel. Er setzt sich in seinem Beitrag eingehend mit den im Laufe der Zeit entwickelten unterschiedlichen Konzepten der Überschuldungsmessung auseinander und setzt diesen ein eigenes an praktisches Erfordernissen orientiertes Konzept entgegen.

Dem Thema "Forderungsverzicht, Rangrücktritt und Erfüllungsübernahme zur Abwendung der Überschuldung" widmet sich Meyer, der informativ die Wege aufzeigt, durch die eine Überschuldung ohne die Zufuhr liquider Mittel überwunden werden kann. Er zeigt die rechtliche Ausgestaltung und die bilanziellen Wirkungen der unterschiedlichen Sanierungsmittel exemplarisch an einer GmbH auf.

Während im ersten Teil des Bandes die "Überschuldung" im Mittelpunkt stand, befaßt sich der zweite Teil mit den Akteuren und ihren Rollen im Insolvenzverfahren. Littkemann und Madrian untersuchen in ihrem Beitrag mit dem Titel "Die Rolle des Insolvenzverwalters aus der Perspektive des Prinzipal-Agenten-Ansatzes", inwieweit sich die Stellung und die Aufgaben des Insolvenzverwalters durch die neue Insolvenzordnung geändert haben. Besondere Aktualität erhält dieser Beitrag durch die gerade stattfindende Diskussion um die Bestellung und Abwahl des Insolvenzverwalters. Die Untersuchung der Rolle des Insolvenzverwalters auf der Grundlage des der Betriebswirtschaftslehre entnommenen Prinzipal-Agenten-Ansatzes führt zu Einsichten, die die bislang nur einseitig juristisch geführte Diskussion bereichern kann.

Die Gläubigerrolle wird in dem Beitrag "Die Behandlung notleidender Kreditengagements bei drohender und eingetretener Insolvenz - Chancen und Risiken für Banken" von Möhlmann untersucht. Er setzt sich mit der Frage auseinander, welche Form der Sanierung - gerichtliche oder außergerichtliche - die kreditgebende Bank favorisieren soll. Er zeigt die in den unterschiedlichen Zeitpunkten bestehenden Chancen und Risiken auf.

Schließlich ist in dem Beitrag von Leker "Der Unternehmer als Schuldner in der Insolvenz" der unternehmerisch handelnde Schuldner Mittelpunkt der Untersuchung. Den Schwerpunkt des Beitrags bildet die Rolle des Schuldners, dem durch das neu geschaffene Institut der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren Raum für eine unternehmerische Tätigkeit eingeräumt wird. Mit Erkenntnissen der empirischen Krisenforschung arbeitet Leker Kriterien heraus, bei deren Vorliegen dem Schuldner die Eigenverwaltung ermöglicht werden soll. Diese Ausführungen sind nicht nur für den Insolvenzrichter hilfreich, der Schwierigkeiten hat, mit dem neuen Institut der Eigenverwaltung umzugehen. In dem aufgezeigt wird, in welchen Fällen eine Eigenverwaltung sinnvoll ist, stärken sie auch dieses neue Institut und fördern damit auch "eine neue Insolvenzkultur".

Der dritte Teil des Bandes ist den Erfahrungsberichten vorbehalten. Unter der Überschrift "Die Erwartungen des Gesetzgebers im Spiegel der Realität - erste Erfahrungen" stellen die Amtsrichter Hinkelmann und Evers ihre Erfahrungen mit dem Insolvenzeröffnungsverfahren, dem eröffneten Regelinsolvenzverfahren und dem Verbraucher- und Kleininsolvenzverfahren dar. Besondere Aktualität erhalten diese Beiträge durch den gerade vorgelegten Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung der Insolvenzordnung. Die Verfasser zeigen die Schwachstellen auf, die auch teilweise in dem Gesetzentwurf zur Änderung der Insolvenzordnung aufgegriffen worden sind. Sie bewerten das Regelinsolvenzverfahren als ein brauchbares Verfahren, das jedoch in einzelnen Punkten weiterer Verbesserungen bedarf. Dagegen sind sie der Auffassung, daß das Verbraucherinsolvenzverfahren wesentlich umgestaltet werden müsse. Ihre Vorschläge hierzu, insbesondere im Hinblick auf die Bewertung des außergerichtlichen und gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens, stehen teilweise im Widerspruch zu den Absichten des Gesetzgebers, die in dem neuen Gesetzesentwurf zum Ausdruck gekommen sind. Insoweit bereichern ihre Empfehlungen die Diskussion um eine Reform des Verbraucherinsolvenzverfahrens.

Die Darstellung der einzelnen Beiträge zeigt die Vielfalt und die unterschiedlichen Ansätze, die dieses Werk für alle, die sich mit dem Thema "Insolvenz" beschäftigen, so lesenswert macht. Da sämtliche Beiträge Anregungen, Vorschläge und Lösungswege aufzeigen und sich nicht auf eine beschreibenden Betrachtung beschränken, wird das Werk einen wichtigen Beitrag in der Diskussion um das neue Insolvenzrecht leisten.

Matthias Beck / Thomas Möhlmann (Hrsg.),
Sanierung und Abwicklung in der Insolvenz:
Erfahrungen, Chancen, Risiken,
Verlag Neue Wirtschafts-Briefe, Herne, 2000,
225 Seiten, EUR 39.00,
ISBN 3-482-51461-5

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