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von Dr. Volkhard Emmrich
Der frühzeitigen Identifikation von Unternehmenskrisen und ihrer erfolgreichen Bewältigung wird nicht erst seit Einführung des Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) verstärkt Aufmerksamkeit geschenkt. Trotzdem steigt die Zahl der Unternehmensschieflagen und Insolvenzen kontinuierlich an. Betroffen sind nicht nur reife Branchen, sondern auch junge Unternehmen in Wachstumsmärkten. Angesichts der Komplexität der Krisenursachen fehlt vielen Unternehmen meist die notwendige Erfahrung, Krisen aus eigener Kraft zu bewältigen. Aber auch professionelles Krisenmanagement durch externe Berater scheitert mitunter kläglich.
Was sind die Ursachen für latente und manifeste Krisen in Unternehmen? Welche Faktoren erleichtern und erschweren die Krisenbewältigung? Wann ist eine Insolvenz der beste Weg, um zu retten, was noch zu retten ist? Zur Beantwortung dieser Fragen wurden im Frühjahr 2002 38 Krisenunternehmen einer detaillierten Untersuchung unterzogen. Im Mittelpunkt der Analyse standen dabei u.a die Krisenursachen und Krisenarten sowie die Erfolgsfaktoren der Krisenbewältigung.
Gegenstand der Untersuchung waren klassische Mittelstandsunternehmen mit einem Jahresumsatz von mindestens 15 Millionen Euro und klarer Inhaber- bzw. Gesellschafterprägung. Alle analysierten Unternehmen hatten akute Ertrags- und Liquiditätsprobleme. Nicht betrachtet wurden hingegen Konzerngesellschaften oder Konzernbeteiligungen. Zu allen Krisenfällen lagen detaillierte Informationen über die Organisation, das Management, die Vermögens- und Ertragslage der jeweiligen Unternehmen sowie über den Krisenverlauf vor.
Die Krisenursachen lagen primär in Versäumnissen der Unternehmensführung im laufenden Geschäft, dem gleichzeitigen Auftreten von Strukturveränderungen in Branche und Markt sowie in falschen Unternehmenszukäufen und deren unzureichender Integration. Betroffen waren insbesondere Unternehmen, die gewohnt sind als Marktführer mit geringem Entscheidungsdruck aus einer Position der Stärke heraus zu agieren. Die Dynamik der Marktentwicklung überforderte die Unternehmen. Entscheidungsstau und Entscheidungsschwäche waren die Folge.
Auffällig hoch ist der Anteil regionaler Marktführer und nationaler Mitläufer an den Krisenfällen. Zumindest in einem Geschäftsfeld waren alle untersuchten Unternehmen Grenzanbieter. Entscheidungen zum "Go" oder "No Go" in diesem Bereich blieben meistens aus. Der Erfolg des gesamten Unternehmens litt folglich darunter, daß das betreffende Geschäftsfeld permanent Finanzmittel benötigte, ohne einen nachhaltigen Return on Investment zu erzielen. In der Mehrzahl der Fälle löste dann Preisdruck im Stammgeschäft die eigentliche Krise aus.
Die Auswirkungen von Managementdefiziten und Marktdruck zeigten sich insbesondere im Ergebnisverfall und in einer abnehmenden Produktivität. Begünstigt wurde dieses nicht zuletzt durch ein unzureichendes Controlling und fehlende Steuerungsinstrumente. Nur jedes fünfte Krisenunternehmen verfügte über ein transparentes Zahlenwerk. Als kritischer Faktor kommt außerdem fehlendes Liquiditätsmanagement hinzu. Lediglich jedes zehnte Krisenunternehmen hatte seine Einnahmen und Ausgaben im Griff. Als Krisenbeschleuniger wirkten außerdem eine hohe Produkt- und Sortimentskomplexität sowie eine niedrige Eigenkapitalquote.
Auffällig ist der geringe Anteil der Inhaber bzw. der Geschäftsführer, die bereits zu Projektbeginn das ganze Ausmaß der Krise erkannten. Aus Managementsicht reichten dann meistens Maßnahmen der Effizienzsteigerung und Prozessoptimierung zur Krisenbewältigung aus. Nur wenn der Projektanstoß von Banken kam, wurden unmittelbar Sanierungs- und Restrukturierungsmaßnahmen eingeleitet.
Bei neun von zehn Unternehmen mußte – zusätzlich zu den wirtschaftlichen Problemen – auch eine Managementkrise bewältigt werden. Die rechtzeitige Integration von externen oder neuen Managern war ein wesentlicher Erfolgsfaktor der Krisenbewältigung. Dieses galt umso mehr, wenn auf der ersten Führungsebene die notwendige Sanierungserfahrung sichergestellt werden mußte.
Voraussetzung für einen nachhaltigen Sanierungserfolg war - neben der Lösung der Liquiditätsprobleme - eine grundsätzliche Restrukturierung des Unternehmens. Wurden demgegenüber nachhaltige Veränderungen unterlassen, so war ein Rückfall in die Krise sehr wahrscheinlich.
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Dr. Volkhard Emmrich |
Erstveröffentlichung im Krisennavigator (ISSN 1619-2389):
5. Jahrgang (2002), Ausgabe 8 (August)
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Letzte Aktualisierung: Montag, 9. September 2024
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