Unternehmenssanierung im Insolvenzverfahren
Rezension von Frank Roselieb
Mit der am 1. Januar 1999 in Kraft getretenen Insolvenzordnung möchte der Gesetzgeber insbesondere die Sanierung von Unternehmen im Rahmen des Insolvenzverfahrens fördern. Zur Einführung eines "echten" Sanierungsverfahrens konnte man sich jedoch nicht entschließen. Außerdem soll durch die neuen gesetzlichen Regelungen der bisherige Charakter des Insolvenzverfahrens - als Verfahren zur gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger - nicht beeinträchtigt werden.
Die Hoffnung auf eine Vielzahl von erfolgreichen, bislang nicht möglichen Sanierungen hat sich in der Unternehmenspraxis nicht erfüllt. Ist die neue Insolvenzordnung sanierungsfeindlich? Führt sie zu einer nicht marktkonformen Erhaltung von nicht dauerhaft überlebensfähigen Unternehmen? Können Schuldner das Insolvenzverfahren vielleicht sogar zur Erlangung ungerechtfertigter Vorteile zu Lasten der Gläubiger zweckentfremden?
Diesen und anderen Fragen ist Dr. Christof Kautzsch aus Berlin in seiner Dissertation an der Universität Münster nachgegangen. Er untersucht u.a., welche Schwächen des neuen Insolvenzrechts diese Entwicklung bedingen und inwieweit die Insolvenzordnung den verschiedenen Zielen und Ansprüchen des Gesetzgebers tatsächlich gerecht wird.
- Im ersten Kapitel geht der Verfasser zunächst auf den Aspekt der Sanierungsförderung im Insolvenzrecht ein. Er analysiert die Ursachen für die Funktionsunfähigkeit der bisherigen Vergleichs- und Konkursverfahren und verdeutlicht, welche Maßnahmen die neue Insolvenzordnung zur Stärkung der Sanierungsfähigkeit vorsieht. Abschließend formuliert Kautzsch die Kernfragen seiner Untersuchung und skizziert die Prüfungsfolge.
- Im Mittelpunkt des zweiten Kapitels stehen die Auswirkungen der Insolvenzordnung auf die Unternehmensfortführung im Eröffnungsverfahren - also im Zeitraum zwischen der Antragsstellung und der tatsächlichen Verfahrenseröffnung. Nach einem Überblick über die besonderen Regelungen des Eröffnungsverfahrens geht der Autor auf einzelne Probleme der Unternehmensfortführung im Eröffnungsverfahren ein. Hierzu zählen beispielsweise die Dauer des Eröffnungsverfahrens, die Befugnisses des vorläufigen Insolvenzverwalters und Fragen der Liquiditätssicherung. Im Ergebnis ist Kautzsch zuzustimmen, dass das Eröffnungsverfahrens nur eingeschränkt geeignet ist, die Sanierung von Unternehmen im Insolvenzverfahren zu fördern und dass die neuen Regelungen keine wesentlichen Verbesserungen gegenüber dem bisherigen Recht mit sich bringen.
- Im dritten Kapitel prüft der Autor, welche Maßnahmen zur Unternehmenssanierung im eröffneten Insolvenzverfahren ergriffen werden können, um die Ertragskraft des Betriebes wiederherzustellen. Betrachtet werden u.a. Maßnahmen zur Bestandssicherung, Liquiditätsverbesserung und Aufwandssenkung sowie die verschiedenen Varianten der Geschäftsführung. Insgesamt fällt die Prüfung positiv aus. Nach Ansicht von Kautzsch ermöglicht die neue Insolvenzordnung eine Unternehmensfortführung in ausreichendem Maße - beispielsweise durch die vereinfachte Durchführung von aufwandssenkenden Maßnahmen.
- Das vierte Kapitel thematisiert die übertragende Sanierung im Insolvenzverfahren. Dieses Verfahren vereint die Vorteile der Liquidation einerseits (sofortige Befriedigung der Gläubiger und schnelle Abwicklung des Verfahrens), mit den Vorteilen der Sanierung andererseits (Erhalt des Unternehmens als vermögenswerter Einheit und Sicherung von Arbeitsplätzen). Problematisch sind demgegenüber das generelle Zustimmungserfordernis der Gläubiger, die drohende Veräußerung unter Wert sowie diverse Haftungsfragen. Insgesamt kommt Kautzsch zu dem Ergebnis, dass die neue Insolvenzordnung die übertragende Sanierung zwar zuläßt, sie aber gegenüber dem bisherigen Recht nicht unbedingt erleichtert.
- Besonders ausführlich widmet sich der Verfasser im fünften Kapitel dem Sanierungs- bzw. Insolvenzplan - als Kernstück des neuen Insolvenzrechts. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll dieser zur Deregulierung der Insolvenzabwicklung beitragen und den Beteiligten einen Rechtsrahmen zur einvernehmlichen Bewältigung der Insolvenz durch Verhandlungen und private Austauschprozesse zur Verfügung stellen. Die Hoffnung auf eine Vielzahl von Insolvenzabwicklungen mit Hilfe von Sanierungsplänen hat sich in der Unternehmenspraxis allerdings nicht erfüllt. Einerseits nimmt die Ausarbeitung, Erörterung und Abstimmung des Plans erhebliche Zeit in Anspruch. Andererseits sind Akkordstörungen durch dissentierende Gläubiger möglich.
- Das sechste Kapitel faßt die gewonnenen Erkenntnisse zusammen und bewertet sie abschließend im Gesamtzusammenhang. Die Bilanz des Autors fällt zurecht ernüchternd aus. Die Insolvenzordnung führt nicht zu einer radikalen Erleichterung der Unternehmensfortführung. Zwar ist die Erweiterung des Handlungsspielraums der Beteiligten grundsätzlich ein Fortschritt. Gleichwohl kann das Insolvenzplanverfahren nur sehr eingeschränkt, wirtschaftlich sinnvolle Sanierungen von Unternehmensträgern in der gebotenen Eile auch gegen den Willen einzelner Beteiligter durchsetzen. Diese eingeschränkte Sanierungstauglichkeit ist allerdings kein Fehler, sondern eher eine logische Folge der konsequenten Umsetzung des Konzepts der Marktkonformität. Diese und andere Schwächen des neuen Insolvenzrechts lassen sich - angesichts bestehender Zielkonflikte - in absehbarer Zeit nicht umfassend beseitigen.
Insgesamt fasst die Monographie von Kautzsch den Wissensstand zur Sanierungstauglichkeit des neuen Insolvenzrechts anschaulich und kritisch zusammen. Obwohl die Dissertation bereits Anfang 1999 den Gutachtern vorlag, hat der Verfasser die zwischenzeitliche Entwicklung in Gesetzgebung, Literatur und Rechtsprechung bis Anfang 2001 berücksichtigt. Den mit Insolvenzen betrauten Unternehmensberatern und Fachanwälten gibt die Schrift einen guten Überblick über die Möglichkeiten und Probleme einer Unternehmenssanierung.
Christof Kautzsch,
Unternehmenssanierung im Insolvenzverfahren,
Eul-Verlag, Lohmar, Köln, 2001,
290 Seiten, EUR 44.00,
ISBN 3-89012-910-2
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