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von Andreas Pulver
Sicherlich gehört es zu den anspruchsvollsten Aufgaben, Unternehmen bzw. Unternehmensteile aus der schweren Krise wieder in "normales" Fahrwasser zu führen. Dieses Ziel sollte durch die neue Insolvenzordnung vom 1. Januar 1999 - wenn möglich - verfolgt und erleichtert werden. In der Praxis hat sich dieses bislang jedoch nicht bestätigt.
Daß die juristischen Möglichkeiten in zentralen Punkten eher diffiziller geworden sind, ist an anderen Stellen hinreichend diskutiert und kommentiert worden. Im täglichen Geschäft der betriebswirtschaftlichen Unternehmensberatung läßt sich die Erfahrung mit der neuen Insolvenzordnung auf die folgende Formel bringen: Die Verwalter, die auch schon zu Zeiten der Konkursordnung Unternehmen erfolgreich fortgeführt haben, sind auch die Verwalter, die jetzt mit der Insolvenzordnung Unternehmen sanieren.
Die Ursache für diese Entwicklung ist weniger im Gesetz begründet als vielmehr in der Person des Verwalters - also seiner Erfahrung und Fähigkeit, dieses komplexe Aufgabengebiet aus juristischen und betriebswirtschaftlichen Blickwinkeln schnell zu ordnen und erfolgreich umzusetzen. Inwieweit dieses auch bei der Auswahl und Bestellung von Verwaltern durch die Gerichte berücksichtigt wird, entzieht sich unserer Kenntnis.
Da in den ersten Tagen und Wochen des Verfahrens die entscheidenden Grundlagen gelegt werden, war zum Anfang der Insolvenzordnung die Rolle des schwachen oder jetzt halbstarken Verwalters etwas gewöhnungsbedürftig. Auch dieser Aspekt ist aber durch die Praxis beantwortet worden und stellt nur noch in Einzelfällen ein größeres Problem dar.
Unsere Beratungsgesellschaft - die ad tempus consulting Gesellschaft für Unternehmensmanagement mbH - übernimmt bei notleidenden Unternehmen das Management vor Ort, um die vorangegangenen Managementfehler abzustellen und die Neuausrichtung mit den notwendigen Maßnahmen sicherzustellen. Aus unserer eigenen Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Verwaltern vor Ort können wir schließen, daß sich für die Beteiligten - wie beispielsweise Mitarbeiter, Kunden und Lieferanten - durch die neue Insolvenzordnung überhaupt nichts geändert hat.
Für sie ist "Insolvenz" nur ein anderes Wort für "Konkurs". Nicht mehr und nicht weniger. Von daher bedarf es auch jedes Mal eines großen Erklärungs- und Überzeugungsaufwandes, um einen erfolgreichen Ausgang des Verfahrens zu erreichen. Sicherlich hat die mediale Berichterstattung rund um den Fall "Philipp Holzmann" nicht nur in diesem Bereich kontraproduktiv gewirkt.
Für den Erhalt von Unternehmen und das rechtzeitige Ergreifen von geeigneten Maßnahmen wäre es wünschenswert, wenn ein breiteres Wissen rund um das Thema Insolvenz in den relevanten Kreisen - insbesondere bei Geschäftsführern und Beratern - vorhanden wäre. Damit könnte die Insolvenzordnung als proaktives Gestaltungselement oder Gestaltungsalternative genutzt werden. Allein die rechtzeitige Antragsstellung und das Bereitstellen einer gewissen Liquidität können im Vorfeld verfahrensentscheidend sein.
Aber gravierende Managementfehler, das stoische Negieren von Problemen, die negativ besetzten Begriffe "Insolvenz" und "Konkurs" sowie die objektive Unwissenheit über die Möglichkeiten der Insolvenzordnung verhindern, daß Unternehmen gerettet werden können und - neben der Vernichtung von Unternehmenswerten - auch ein volkswirtschaftlicher Schaden entsteht. Dieses ist allerdings keine Frage des Gesetzes.
Zusammenfassend ist unsere Erfahrung, daß sich mit der Insolvenzordnung im Großen und Ganzen eigentlich nichts in Sachen "Unternehmensfortführung in der Krise" geändert hat. Aber vielleicht wird sich dieses durch den Druck der kommenden Insolvenzwelle - insbesondere durch die anstehende Nachfolgeregelung im Mittelstand - bald ändern. Vielleicht.
Andreas Pulver |
Erstveröffentlichung im Krisennavigator (ISSN 1619-2389):
4. Jahrgang (2001), Ausgabe 2 (Februar)
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Letzte Aktualisierung: Mittwoch, 9. Oktober 2024
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